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Ein Kleinod in Berlins Osten: das Schloss Biesdorf.

© Kitty Kleist-Heinrich

Update

Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum: Der Bilderstreit ums Schloss Biesdorf

Das Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum steht nach nur einem Jahr vor dem Aus. Es geht um die Finanzierung. Doch dahinter steckt ein ganz anderer Konflikt.

„Mit Geld spielt man nicht“ heißt die aktuelle Ausstellung in der kommunalen Galerie M an der Marzahner Promenade – eine fast romantische Erinnerung an die existenzielle Bedeutung eines festen Auskommens in einer Welt, die Finanzjongleure längst dominieren. Ganz ungeahnt kommt dieser Titel auch wie ein Kommentar zu einem Streit daher, der gerade den Bezirk Marzahn-Hellersdorf erschüttert: Die landeseigene Gesellschaft Grün Berlin hat aus wirtschaftlichen Gründen zum 1. Februar den Vertrag für das Schloss Biesdorf einige Kilometer weiter gekündigt. Das erst im September 2016 gestartete Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum (ZKR) steht damit an dieser Stelle vor dem Aus. Stattdessen zieht ins Schloss: die Galerie M.

Die Sache ist auf mehreren Ebenen schiefgelaufen: Seit der Eröffnung hat die Grün Berlin 48.000 Besucher gezählt, der Großteil jedoch schaute sich bloß das kostenlose Erdgeschoss an. Für die bisher drei Ausstellungen eine Etage höher zahlten nur rund 19.000 Gäste – einkalkuliert waren 30.000. Eine Vorgabe der EU im Förderbescheid sei das gewesen, sagt ZKR-Leiterin Katja Aßmann, eher weniger eine realistische Analyse der Berliner Peripherie.

Doch diese Zahl wurde Grundlage aller weiteren Vereinbarungen. Knapp 500.000 Euro bekam die Grün Berlin pro Jahr vom Bezirk. Gut 150.000 Euro mehr wurden benötigt. Das sollte durch Eintrittskarten und Vermietungen hereingeholt werden - „jede Woche eine Hochzeit“ nennt Aßmann als Größenordnung. Vereine aus dem Ort konnten sich die Miete selten leisten.

Im Sommer gab es eine Unterredung von Aßmann, Geschäftsführer Christoph Schmidt, Bürgermeisterin Dagmar Pohle und Kulturstadträtin Juliane Witt, die in einem entscheidenden Punkt genug Spielraum für ein folgenschweres Missverständnis ließ: Schmidt wies auf die Unterdeckung hin und stellte ein reduziertes Programm bis Jahresende in Aussicht. Das wollten die Linken-Politikerinnen vermeiden. Man werde schon eine Lösung finden, war der Tenor. Vor wenigen Tagen kam dann die überraschende Mitteilung: Es gibt doch kein zusätzliches Geld, woraufhin Schmidt von einem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machte.

Auch die inhaltliche Ausrichtung des ZKR ist umstritten

Hinter der Auseinandersetzung ums Geld steckt noch ein ganz anderer Konflikt: Seit Monaten ist auch die inhaltliche Ausrichtung des ZKR umstritten. Über Jahre lief die millionenschwere Sanierung der klassizistischen Turmvilla mit dem Ziel, eine „Galerie Bilderstreit“ einzurichten. Bürger hatten mit großer Beharrlichkeit die Wiederherstellung des im Krieg schwer beschädigten Gebäudes angestoßen.

Es entstand die Idee, bildende Kunst aus der DDR zu zeigen, Auftragsarbeiten aus dem Besitz von Staat und Partei, die nach der Wende an die Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern übergegangen sind und seitdem weitgehend unbeachtet im Kunstarchiv Beeskow lagern. 23.000 Werke finden sich dort, Bürger und Politik träumten schon von einem „Bilderschloss“.

Doch als es konkret wurde, fand sich kein Betreiber. Die Grün Berlin, dem Bezirk durch die Gärten der Welt und die Internationale Gartenausstellung verbunden, sprang ein – und präsentierte ein modifiziertes Konzept. Sie wollte nicht mehr nur Kunst aus Ost und West gegenüberstellen, sondern auch deren Wechselwirkungen mit Architektur und öffentlichem Raum ergründen. Die erste Ausstellung war noch eng an die Gartenschau angelehnt, die zweite orientierte sich am New Yorker Konzeptkünstler Gordon Matta-Clark. Die aktuelle Schau namens „Blick Verschiebung“ widmet sich anhand fotografischer Arbeiten dem Wandel von Landschaften und Räumen von der DDR über die Wende bis in die Gegenwart.

Die Fachöffentlichkeit reagierte positiv. Vor Ort aber registrierten viele, dass Werke aus Beeskow weniger im Mittelpunkt standen als über Jahre erhofft. Statt erst einmal die Archivbestände für sich genommen zu erkunden, wurden sie gleich vielfach überlagert. Im Sommer fühlte sich der Galeriebeirat sogar genötigt, Aßmann seine „volle Unterstützung“ zuzusichern und das Potenzial des Ortes zu betonen. „Dazu bedarf es der Mithilfe und des Vertrauens aller Beteiligten“, schrieb er, „vor allem der politisch Verantwortlichen Im Bezirk.“

Die DDR-Schau finden die Kritiker jetzt im Potsdamer Museum Barberini, das über ungleich größere Mittel verfügt. Drei bis fünf Jahre Aufbauphase seien normal, erklärt Aßmann, mit allen Experimenten und Anpassungen. „Eine Galerie Bilderstreit wäre aber niemals eine Ausstellung wie im Barberini gewesen.“ Dazu fehlten in Beeskow die herausragenden Exponate.

Grün Berlin will die ZKR-Idee nicht aufgeben

Die Grün Berlin glaubt auch weiterhin an die ZKR-Idee, über Kunst und öffentlichen Raum zu reflektieren, und will sie im künftigen Spreepark, dem alten Vergnügungspark in Plänterwald, umsetzen. Kulturstadträtin Witt muss jetzt schnell den Übergang organisieren – und verkündete mit der Nachricht von der Kündigung gleich einen Notfallplan: Sie will die Galerie M in Marzahn opfern. Deren Leiterin Karin Scheel, die einzige beim Bezirk angestellte Galeristin, soll das Schloss übernehmen und mit ähnlichem Konzept weiterführen, wie es auch das ZKR hatte.

Inhaltlich muss sie sich dafür nicht sonderlich umstellen. Denn auch Scheel hat an der Marzahner Promenade die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und öffentlichem Raum seit Jahren in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt. Nun kümmert sie sich zuerst darum, mit den Leihgebern über eine Fortsetzung der aktuellen ZKR-Ausstellung über den Betreiberwechsel hinaus bis Anfang April zu verhandeln - wie ursprünglich vorgesehen. Danach wird ihr nichts anderes übrig bleiben, als die Ausstellungen, die sie schon bis 2019 in der Galerie M geplant hatte, auf die neue kommunale Galerie im Schloss Biesdorf zuzuschneiden. Nun tritt allerdings noch das kulturelle Erbe der DDR als Auftrag hinzu - es ist Teil der Förderziele von Land und EU.

"Man muss die Menschen einbeziehen, die hier wohnen"

Dass sich mit dem Abschied der Grün Berlin gleich auch das Galeriekonzept grundlegend ändert, wie die Kritiker nun vielleicht hoffen, ist jedenfalls unwahrscheinlich. Scheel gehörte bisher selbst dem Galeriebeirat an, der den ZKR-Ansatz stets unterstützt hatte. Ihr Trumpf ist, dass sie sowohl in der Berliner Kunstszene verwurzelt ist, als auch im Bezirk. "Man muss die Menschen einbeziehen, die hier wohnen", sagt sie, "aber auf einem Niveau, das der Kunstkritik standhält."

ZKR-Leiterin Aßmann befand sich übrigens schon mitten in den Vorbereitungen für die nächste Ausstellung: Diesmal sollte ausgerechnet Kunst aus Beeskow ganz im Mittelpunkt stehen.

Das Schloss Biesdorf braucht ein klares Konzept: Lesen Sie hier einen Kommentar aus unserem Leute-Newsletter für Marzahn-Hellersdorf.

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