zum Hauptinhalt
"Evidence" heißt die Ausstellung des 56-jährigen Künstlers. In China ist er zahlreichen Schikanen ausgesetzt, war im Gefängnis, wird streng überwacht, weil er unentwegt auf Missstände im Land aufmerksam macht.

© epd

Zensur in China: Ai Weiweis Kunst in Schanghai-Ausstellung verboten

In den Berliner Gropius-Bau zieht Ai Weiwei die Massen. In China verhindert das die staatliche Zensur: Bei einer Ausstellung in Schanghai mussten seine Werke beseitigt werden. Und damit nicht genug.

Wenige Tage vor der Eröffnung einer Gruppen-Schau zum 15-jährigen Jubiläum des Chinese Contemporay Art Award in Schanghai musste ein Werk Ai Weiweis aus der Ausstellung entfernt werden, offenbar auf Geheiß des Shanghaier ‚Cultural Office‘, einer chinesischen Regierungsstelle. Bereits zuvor waren die Veranstalter von dem Büro aufgefordert worden, die Ausstellung nicht unter dem Label ‚Chinese Contemporary Art Award‘ laufen zu lassen. Der (seit 1998 existierende) Name sei gesetzlich nicht lizensiert. Diesem Druck hatten sich die Ausstellungsmacher nicht gebeugt. Ai Weiweis Werk mussten sie gleichwohl beseitigen, sonst wäre die gesamte Schau geplatzt.

Die am vergangenen Samstag eröffnete Ausstellung in der Power Station of Art, der in einer ehemaligen Elektrofabrik angesiedelten ersten städtischen und damit staatlichen Kunsthalle Chinas, zeigt Werke von 19 Preisträgern. Darunter sollte auch eine Arbeit des Regimekritikers und Konzeptkünstlers Ai Weiwei sein, der vor drei Jahren 81 Tage lang inhaftiert war. Es wäre das erste Mal seit seiner Verschleppung und Inhaftierung gewesen, dass ein Werk von ihm in einer öffentlichen Institution gezeigt worden wäre. Die Zensur hat dies nun verhindert.

Nur auf der Website der Kunsthalle ist Ai Weiweis Name noch zu lesen

Es kam noch schlimmer: Eine Stunde vor der Eröffnung am 26. April tauchten Arbeiter auf, die bei der auf einer Wandtafel präsentierten Chronik des Preises den Namen von Ai Weiwei mit Farbe überpinselten - gegen den Protest der anwesenden Künstler. Auch wurde das Gesicht des 57-Jährigen auf Fotos und Videos zur Historie des Preises durch Retuschen und Pixel unkenntlich gemacht. Lediglich auf dem Plakat der Schau, die bis 20. Juli läuft, ist Ai Weiweis Name auf der Website der Power Station noch mit aufgelistet. Ai Weiwei hatte 2008 den Art Award fürs Lebenswerk erhalten und war drei Mal Mitglied der Jury.

Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste, sagte dazu: „Auch als einer der Initiatoren des Freundeskreises Ai Weiweis bewerte ich die Maßnahmen in Schanghai gegen unser Akademie-Mitglied als das, was sie sind: Zensur. Die Akademie der Künste setzt sich für die Freiheit der Kunst und gegen Zensur ein, egal an welchem Ort, auf welchem Kontinent.“

Die Auszeichnung Chinese Contemporary Art Award war 1998 von dem Schweizer Uli Sigg ins Leben gerufen worden, einem führenden Sammler und Mäzen chinesischer Kunst. Sie wurde bisher an 25 Künstler und Kunstkritiker vergeben, darunter auch an Sun Yuan + Peng Yu,  Xu Zhen oder Zhang Peili, deren Arbeiten derzeit in zwei von der Chinesischen Botschaft unterstützten Ausstellungen in Berlin zu sehen sind. Die Ausstellung "Die 8 der Wege: Kunst in Beijing" wird am heutigen Dienstagabend in den Uferhallen im Wedding eröffnet.

Unterdessen hat sich die große Ai-Weiwei-Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau zum Publikumsrenner entwickelt. Die am 3. April eröffnete Schau mit dem Titel "Evidence" lockte bis Anfang dieser Woche 72.000 Besucher an, das sind im Tagesdurchschnitt etwa so viele wie bei den anderen Erfolgsausstellungen des Hauses, zum Beispiel der großen Frida-Kahlo-Schau 2010. Die bis zum 7. Juli laufende Ausstellung wird auch von vielen Chinesen besucht. Nicht zuletzt deshalb hat Ai Weiwei inzwischen eine weitgehend uneingeschränkte Fotografier-Erlaubnis erteilt: Über Fotos und die sozialen Medien kann seine in China verbotene Kunst auf diese Weise wenigstens indirekt in seiner Heimat präsent sein. So wird die gesamte Ausstellung zur sozialen Skulptur, einschließlich des abwesenden Künstlers, dem die chinesischen Behörden seit 2011 den Reisepass vorenthalten.

Mehr über Ai Weiwei und die Berliner Ausstellung unter: www.tagesspiegel.de/ai-weiwei

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false