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Kultur: Zementpoet

„Parabeton“: Heinz Emigholz zeigt im FORUM die Bauten von Pier Luigi Nervi.

Fünf oder sechs Sekunden hält sich die Kamera an einer Einstellung fest: ein römischer Tempel bei Neapel. Einzelheiten. Sie wechseln einander ab, dann erscheint ein Zwischentitel: Jetzt ist das städtische Stadion von Florenz im Blick. Nackter Beton, schwungvoll zu Tribünen und Treppenspindeln geformt, mit eisernen Geländern wie eine Schiffsreling, gegen den hellblauen Himmel Italiens.

26 Bauwerke hat Heinz Emigholz, der sich seit vielen Jahren in seiner filmischen Erkundungen mit Architektur beschäftigt, für seinen Film „Parabeton – Pier Luigi Nervi and Roman Concrete“ ausgewählt. Ob man überhaupt von einem „Film“ sprechen sollte? Standbild reiht sich an Standbild. Es gibt keine Kamerafahrten, keine Schwenks, kein Zoomen, fast nur Tele und keinerlei Totalen. Ist das überhaupt eine Darstellung von Architektur?

Es sind Details, wichtige, beiläufige, es sind Beobachtungen, die Emigholz an jeweils einem einzigen Tag hat machen können, alles im späten Frühjahr, unter diesiger Sonne, die die Farben verblassen lässt und auf alles eine Art optischem Staub legt. Die Bauten des großen Ingenieurs Pier Luigi Nervi (1891–1979) sind in einem erschreckenden Ausmaß vernachlässigt und verlassen, wie etwa der grandiose „Palast der Arbeit“ in Turin. Nervis Bauten der dreißiger bis siebziger Jahre gleichen sich auf diese Weise den römischen Vorgängern an, das wohlerhaltene Pantheon ausgenommen; übrigens in diesem Kontext die schwächste Filmsequenz. Zwar pflegten die Römer eine andere Art von Zementbauweise als Nervi, doch hat der Vergleich seinen Reiz. Zusammengehalten wird die Diashow, als die man Emigholz’ Werk wohl auch bezeichnen könnte, durch die Tonspur, auf der in Über-Lautstärke die Vögel zu hören sind, die eben durchs Bild flattern, oder die Krankenwagensirene, die auf einer entfernten Straße dahinfahren mag. Schritte hallen durch die Wandelgänge des Unesco-Hauptsitzes in Paris, aber wirkliche Tätigkeiten kommen nicht vor, weder an Schreibtischen noch im Stadion. Dieses filmische Dokument ist ein Abgesang auf Nervi, vierzig Jahre nach seinem Tod, und zurück bleibt italienische Melancholie. Bernhard Schulz

13.2., 14.30 Uhr (Cubix7), 14.2., 19.30 Uhr (Cinestar Even Cinema), 17.2., 15 Uhr (Arsenal)

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