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Umschlagplatz der Ideen. Ausgaben des Magazins "agora42".

© agora 42

Zeitschrift „agora42“: Deep Thought für Erdenbewohner

Das Magazin „agora42“ will eine Brücke zwischen Philosophie und Ökonomie schlagen. Die Zeitschriftenkolumne.

Von Gregor Dotzauer

Hätten wir doch, seufzen Geisteswissenschaftler gerne, etwas weniger Philosophie gelesen und etwas mehr ökonomische Theorie – wir würden die Welt besser verstehen. Vielleicht kennen Volkswirte diese Sehnsucht auch in umgekehrter Richtung. Als Mangel- und Kompensationsphänomen lässt es sich durch die soziologische Fremdheit der Milieus erklären, nicht aber durch ihre ideengeschichtliche Ferne. Schließlich hat der gute alte Aristoteles den Begriff oikonomia geprägt, der mit seinen ethischen und politischen Implikationen noch den Begründer der modernen Nationalökonomie, den schottischen Philosophen Adam Smith, beschäftigte. Wenn Markt und Moral nicht erst in der Bankenkrise des Jahres 2008 so auseinanderfielen, dass mit anarchistischen Feuerköpfen wie David Graeber eine ganz neue Form des antikapitalistischen Aktivismus entstand, so ist doch ein Bedürfnis entstanden, die Disziplinen wieder näher zusammenzudenken.

„agora42“ ist ein Teil davon. 2009 als Start-up in Stuttgart gegründet, hat es schon einmal knapp den eigenen Exitus überlebt und feiert nun mit der 42. Nummer (agora42.de, 9,80 €) titelgetreu Jubiläum. Die Agora, das Zentrum der antiken Polis, ist ein einleuchtender Bezugspunkt für „das philosophische Wirtschaftsmagazin“. Als derzeit vierteljährlicher Umschlagplatz von Ideen, der sich politisch weder verorten lässt noch lassen will, kommt es auf eine Druckauflage von 10 000 Exemplaren. Die 42 dagegen entstammt dem fiktionalen Universum von Douglas Adams, der in „Per Anhalter durch die Galaxis“ einen Supercomputer namens Deep Thought auftreten lässt, der die Frage nach dem Sinn allen Lebens nach Berechnungen, die siebeneinhalb Millionen Jahre beanspruchen, mit eben dieser Zahl beantwortet.

Eher an jugendliches Publikum gerichtet

Der Prolog gibt darüber noch einmal ausführlich Auskunft – wie die drei Magazinmacher Wolfram Bernhardt, Tanja Will und Frank Augustin, die von Chefredaktionshierarchien neuerdings nichts mehr wissen wollen, überhaupt ziemlich erläuterungsbesessen sind: Gleich die erste Randglosse schlüsselt den Begriff Ideologie nach Lexikonart auf, als hätte die Redaktion Angst, einen schon mit dem ersten Fremdwort zu überfordern. Zugleich ist „agora42“ immer wieder von einer thematischen Grundsätzlichkeit, die nach mehrbändigen Enzyklopädien ruft und nicht einem luftig gelayouteten Heft von 100 Seiten Umfang. Die Überschriften der vier „Kapitel“ lauten: „Wo kommen wir her? Wo liegt das Problem? Warum ändern wir uns nicht? Was werden wir ändern?“

Die ungezeichneten Redaktionsessays schaffen es folglich auch nur, ein proseminaristisches kleines Einmaleins aufzusagen, das etwa im ersten Teil eine Brücke von Immanuel Kants Aufklärungsbegriff zu Max Webers Entzauberung der Welt schlägt. Ergiebiger sind die Gespräche mit dem Erziehungswissenschaftler Thomas Vogel über seine Mäßigungsphilosophie oder dem Wirtschaftsethiker Philippe Merz über den Zusammenhalt unserer Gesellschaft in politisch konfrontativen Zeiten. Auch die Nachdrucke aus früheren Heften, darunter ein Aufsatz von Christian Unverzagt über die Bedrohung durch den Müll, enthalten Anregungen. Vom ganzen Duktus her appellieren sie aber eher an ein jugendliches Publikum, das zum ersten Mal mit solchen Problemen in Berührung kommt, als an tages- und wochenzeitungserfahrene Leser.

Es fehlt an journalistischem Schwung

Verglichen mit dem von der Anmutung her ähnlichen Wirtschaftsmagazin „Brandeins“ verhandelt es seine Themen in einem luftleeren Raum, und das „Philosophie Magazin“ hat entschieden mehr journalistischen Schwung. Eröffnungsfrage an Ariadne von Schirach, die im Jubiläumsheft schon einmal ihr nächstes Buch „Die psychotische Gesellschaft“ bewirbt: „Die Erdenbewohner machen gerade keinen besonders zuversichtlichen Eindruck, es herrschen Orientierungslosigkeit und Sorge um die Zukunft. Was ist hier eigentlich los?“ Man kann auch mit solchen Kinderfragen mitunter ganz schön weit kommen. Hier endet es leider mit der Auskunft, es sei „an der Zeit, zu lieben, zu wagen und selbst die Veränderung zu werden, die man sich wünscht für die Welt.“ Nun denn.

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