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Duktus des Kohlestrichs. Zeichnung des Berliner Hauses des Rundfunks in der Masurenallee von Hans Poelzig, um 1928/29.

©  Architekturmuseum der TU

Zeichnungen von Hans Poelzig: Vom Kopf in die Hand aufs Blatt

Schöpferische Fantasie: Das Museum für Architekturzeichnung am Pfefferberg zeigt Entwürfe des großen Berliner Architekten Hans Poelzig.

Heute heißt „Campus Westend“ der Frankfurter Universität, was 1931 als Hauptverwaltung des Konzerns IG Farben errichtet wurde. Es ist das größte, mittlerweile wohl auch bekannteste Bauwerk von Hans Poelzig. Das zweitbekannteste aber steht in Berlin, der Vaterstadt des 1869 geborenen Architekten: das „Haus des Rundfunks“ in der Masurenallee. Gerne hätte Poelzig auch auf der anderen Straßenseite gebaut. In verschiedenen Varianten näherte er sich dem Großprojekt des Messegeländes, das dann allerdings von anderer Hand und unter anderen politischen Umständen entstand.

Vieles blieb ungebaut, was Poelzig entwarf. Was er aber entwarf, ist jedesmal von großer Kraft. Davon zeugen die Blätter, oft in bemerkenswert großen Formaten, die er mit der bevorzugten Zeichenkohle bedeckte. Eine Auswahl aus dem 5000 Zeichnungen, Lichtpausen und Fotografien umfassenden Nachlass des 1936 unmittelbar vor der Emigration in die Türkei verstorbenen Poelzig ist jetzt im Museum für Architekturzeichnung am Pfefferberg zu sehen, ausgewählt aus dem im Architekturmuseum der TU bewahrten Bestand. Nicht eben häufig werden die empfindlichen Papiere ausgeliehen; zuletzt war eine Auswahl vor 13 Jahren in der Akademie der Künste zu sehen. Das Transparentpapier, das Poelzig bevorzugte, ist bereits bis ins stark Bräunliche vergilbt, und brüchig ist es aufgrund des säurehaltigen Klebstoffs, mit dem Poelzigs Assistenten die Folien auf Karton leimten. Im Privatmuseum der Tchoban Foundation allerdings genießen die Blätter derzeit, wie TU-Museumsleiter Hans Dieter-Nägelke neidlos einräumte, „optimale konservatorische Bedingungen“. Abgesehen davon ist der Gesamtbestand des TU-Museums digitalisiert auf der eigenen Website einsehbar.

Einige wunderschöne Blätter, meist von eigener Hand, oft wohl aber auch unter Mitarbeit des eigenen Büros oder des Meisterateliers entstanden, sind jetzt im Original zu sehen. Die Ausstellung beschränkt sich auf Entwürfe für Berliner Projekte, jedoch ohne eine strikte zeitliche Abfolge. Es ist die Ästhetik der einzelnen Blätter, die unmittelbar auf den Betrachter wirkt. Poelzig war sich der Suggestivkraft seiner schwarzen Kohlestriche wohl bewusst. So hat er das Messegelände in Charlottenburg 1927 zunächst mit wenigen Strichen mehr angedeutet als ausgeführt. Dann aber steigert er den Eindruck auf Blättern, die in farbiger Pastellkreide die Heiterkeit eines Vergnügungsparks ausstrahlen und nicht die Nüchternheit des Messebetriebs.

Würdigung der Zeichnung

Über das Innenleben der Bauten ist auf den Blättern der Ausstellung nur selten etwas zu erfahren. Beim Haus des Rundfunks an der Masurenallee wird das Innere des Großen Sendesaals vorgestellt, der eher konventionell-festlich gestaltet ist. Es fehlt das großzügige Foyer mit dem Lichthof und den umlaufenden Galerien. Stattdessen stellt Poelzig die nüchternen Fassaden mit ihren Reihen gleicher Fenster vor. Allerdings besteht Poelzig auf Symmetrie und Hervorhebung der Mittelachse mit dem mehrtürigen Eingang. Zu den herausragenden Entwürfen zählt jener im Wettbewerb von 1930 für das Gefallenendenkmal in der Neuen Wache Schinkels. Auch hier ging Poelzig leer aus, aber sein Entwurf steht dem realisierten von Heinrich Tessenow an monumentaler Würde nicht nach. Zum legendären Großen Schauspielhaus, mit dem Poelzig 1919 seine Rückkehr nach Berlin nach Jahren in Breslau wie mit einem Paukenschlag unterstrich, sind leider nur farbige Skizzen einer Lichtsäule zu sehen.

Aber letztlich geht es der Ausstellung nicht um eine Werksübersicht. Sondern zuallererst darum, das Medium der Zeichnung zu würdigen, als das dem Entwerfen von Architektur gemäße. Nicht alle Blätter der Ausstellung stammen allein von Poelzigs Hand. Am Duktus des Kohlestrichs ist zu erkennen, was der Baumeister selbst aufs Papier geworfen hat und was sein Büro auf weiteren Blättern sorgfältig ausarbeitete. Alle Stadien vom freien Entwurf bis zur peniblen Bauzeichnung sind zu sehen. Die Hand ist das ausführende Organ der schöpferischen Fantasie. Der Computer hat gewiss andere Vorzüge, aber nicht den des unverstellten Wegs vom Kopf in die Hand aufs Blatt.

Museum für Architekturzeichnung, Christinenstr. 18a (am Pfefferberg), bis 3. Februar. Katalog 15 €.

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