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Handlich. Eine unbetitelte Zeichnung von Rama aus dem Jahr 2018.

© Carlier Gebauer

Zeichnungen von Edi Rama: Kunst kommt von Konzentration

Tristesse mit Farbe bekämpfen: Albaniens Ministerpräsident Edi Rama zeigt seine Zeichnungen in der Galerie Carlier Gebauer.

Edi Rama hat gerade andere Themen als die Kunst. In Albanien, dessen Ministerpräsident er seit 2013 ist, protestieren sowohl enttäuschte Studenten als auch eine zornige Opposition. Von außen fällt es schwer, die Kritik zu bewerten, und natürlich genießt ein Politiker, der – als er noch Bürgermeister war – die Tristesse der albanischen Hauptstadt Tirana erfolgreich mit Farbe bekämpfte, erst einmal alle Sympathien. Aber es überrascht schon, dass Rama bei allen politischen Turbulenzen seine Ausstellungen in voller Konzentration auf sein zweites Dasein als Künstler eröffnet; zuerst in Rostock, wo ihm die Kunsthalle vergangenen November eine große Soloschau widmete. Und dann in der Berliner Galerie Carlier Gebauer, die einiges aus Rostock übernommen und Ramas ersten Auftritt in ihren Räumen um neue Arbeiten ergänzt hat.

Äußerlich gibt sich der 54-Jährige gelassen. Was sich in seinem Innern tut, ist an den Wänden der Galerie abzulesen: Rama zeichnet notorisch und geradezu obsessiv. In Sitzungen, bei Verhandlungen, am Telefon. Selbst in der Galerie beim kurzen Gespräch verlangt er nach Stiften, mit denen er pausenlos über gebrauchtes Kopierpapier, Kalenderblätter oder Notizzettel fährt. Aus seinen selbstvergessenen Gesten erstehen farbige Kreise und Linien. Manches wirkt wie fragiles Gewebe, anderes wuchert als psychedelischer Fantasiegarten über das Papier. Pflanzliches und tierische Elemente – etwa die Füße eines Hahns oder der Rüssel eines Elefanten – verwachsen miteinander, bis nahezu das ganze Blatt farbig markiert ist. Anderes legt Rama gleich geometrisch an, stapelt Häuser und Türme, blaue Tinte fächert sich zu kleinen Landschaften auf.

Alles ist gleichwertig

Telefonkritzeleien heißen solche Sujets landläufig, in denen jemand seine Sinne in verschiedene Richtungen laufen lässt. Der Kopf wird von einer Sache gefangen genommen, die Hand sucht nach alternativer Beschäftigung und speist das Ergebnis ihrer unwillkürlichen Gesten nicht zuletzt aus dem Unterbewussten. Rama wiederum studierte in den achtziger Jahren an der Kunstakademie in Tirana. Anschließend lehrte er selbst, der renommierte Künstler Anri Sala war sein Schüler, bis heute sind beide eng miteinander befreundet. Rama ist also mit der Praxis des Zeichnens vertraut, seine Motive gehen weit über das uferlose Addieren kleiner Formen hinaus. Sie als autonome Arbeiten wahrzunehmen, widerstrebt ihm dennoch. Jede Frage danach prallt an ihm ab: Seine Arbeit als Politiker und die Entstehung der ästhetischen Zeichnungen sind ein koexistenter Prozess. Das eine gibt es ohne das andere nicht. Rama braucht die zeichnerische Entspannung, um sich auf die Politik fokussieren zu können.

Daraus resultiert nicht bloß der Titel der Ausstellung. „Work“ ist als Tapete konzipiert, Ramas Bilder bedecken als gedrucktes all over die Wände des Ausstellungsraums. Alles ist gleichwertig, nahezu jedenfalls: Auf der Tapete sind weitere, diesmal originale Zeichnungen und Aquarelle appliziert, davor stehen keramische Skulpturen, wie sie in jüngerer Zeit entstanden. Rough, schnell und mit wenigen, kräftigen Handbewegungen gemacht. Edi Rama weiß, was er tut.

Deshalb lohnt es auch nicht, ihn zu fragen, ob die Bildern vielleicht auch seelische Zustände spiegeln. Ob sich in ihnen wiederfindet, wie es ihm als Politiker in den vergangenen Jahren ergangen ist. Dann schaut der Künstler einen prüfend an, lässt den Stift sinken, lehnt sich zurück und spricht so langsam und deutlich mit einem, als müsse man endlich begreifen: So schlicht funktioniert die Verbindung von Macht und Malerei nun wirklich nie

Galerie Carlier Gebauer, Markgrafenstr. 67; bis 9.3., Di–Sa 11–18 Uhr

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