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Antonio Pappano, 2020.

© Imago/Zuma Wire

Zart und satt: Antonio Pappano dirigiert die Staatskapelle Berlin

Auch nach siebenmonatiger Abstinenz weiß die Staatskapelle mit einem Klavierkonzert von Tschaikowsky zu überraschen.

Was ist das Schöne am Klassikbetrieb? Dass es ihm auch nach siebenmonatiger Abstinenz nicht in den Sinn kommt, das Wiedersehen mit beliebten und geliebten Repertoirebrennern zu feiern, mit Beethovens Eroica, der Zweiten von Brahms oder Tschaikowskys Violinkonzert. Sondern dass er weiterhin sein Publikum mit Unbekanntem fordert, so als sei nichts geschehen.

Nun, wirklich unbekannt ist Tschaikowskys zweites Klavierkonzert in G-Dur nicht, aber es steht doch krass im Schatten des wuchtigen b-Moll-Konzerts. Zu Unrecht, hält es doch durchaus viele brillante Augenblicke für den Solisten bereit.

Doch in der Staatsoper versäumen es Alexandre Kantorow und Antonio Pappano am Pult der Staatskapelle, ein gutes Wort für das Stück einzulegen – indem sie es als pure Effekthascherei missverstehen. Kantorow erzählt keine Geschichten, scheint seiner eigenen Musik nicht zuzuhören, sucht sein Heil stattdessen darin, das Werk als pompöses Schlachtengemälde zu stemmen oder vielmehr: zu wuchten.

Das Orchester sekundiert ihm dabei, beantwortet jeden Vorstoß mit noch stärkerer Vehemenz. Im langsamen zweiten Satz, wo das Klavier sich unscheinbar in den Tuttipart einfügt und Sologeige sowie -cello die tragenden Stimmen sind, überrascht und irritiert Konzertmeisterin Jiyoon Lee mit knarzigem Strich.

Wie ausgewechselt spielt die Staatskapelle nach der Pause, im anderen „unbekannten“ G-Dur Werk: der dritten der vier Orchestersuiten Tschaikowskys. Die barocke Suite erfreute sich in der Romantik neuer Beliebtheit, bot sie doch den Komponisten die Möglichkeit, das streng verzahnte und durchdramatisierte Form der Sinfonie gegen eine locker gefügte Abfolge von Sätzen zu tauschen, die jeder für sich funkeln können, aber keinen notwendigen inneren Zusammenhang aufweisen müssen.

Umsichtig und einfühlsam dirigiert Pappano jetzt, man spürt den Willen und die Freude daran, zu entdecken, was unter der Oberfläche dieser Musik liegt. Im monumentalen Finalsatz arbeitet das Orchester die Differenzen zwischen den Variationen des Themas nachvollziehbar heraus, und auch Lees Geige legt sich jetzt als zarter Schimmer über den homogenen, satten, leidenschaftsdurchpulsten Staatskapellenstreicherklang, dass es eine Freude ist.

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