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Lars Eidinger hat sich mit seiner Rolle als Zar Nikolaus in Russland keine Freunde gemacht.

© Kinostar

Zaren-Epos "Mathilde": Ein komischer Heiliger

Russische Nationalisten attackieren das Zaren-Epos „Mathilde“. Der Film interessiert sich vor allem für historischen Pomp.

„Du weißt nicht, was Du willst!“, sagt die Balletteuse Mathilde einmal zum Zarewitsch Nikolaus, den sie nur „Nicky“ nennt. Das ist der wahrhaftigste Satz des Films – nur dass er auf den Film selbst am meisten zutrifft. Regisseur und Drehbuch-Koautor Alexey Uichtel weiß nicht, was er mit seinem gut anderthalbstündigen Opus will: ein Kostümspektakel (das noch am ehesten), eine Liebesgeschichte (gehobener Kitsch) oder gar ein historisches Panorama öffnen?

Letzteres geht ganz und gar daneben – was natürlich noch lange nicht die gewalttätigen Proteste, die der Film vor seiner Uraufführung in Russland auslöste, rechtfertigt. Nicky, ab 1896 Kaiser Nikolaus II., gespielt von Lars Eidinger, war gewiss nicht zum Herrscher geboren – und schon gar nicht zu der „harten Hand“, die sein Vater, Alexander III. (Sergey Garmash), ihm anempfahl. Aber so einfältig, wie er in der Darstellung von Eidinger daherkommt, kann selbst er nicht gewesen sein. Ultranationalistische Kreise sehen in dem Film die Verunglimpfung des von der orthodoxen Kirche als Heiligem verehrten letzten Zaren – nicht etwa wegen heiliger Taten, sondern wegen dessen brutaler Ermordung durch die Bolschewiki im Juli 1918.

Keusches Zarenmärchen

Ein Heiliger war Nikolaus nicht, aber auch kein wirklicher Schuft oder wenigstens Filou. Er verguckt sich in das Balletttänzerin Mathilde (Michalina Olszanska) und sie sich in ihn, aber warum, das wird nicht klar. Egal, von Stund’ an lieben sich die beiden, nur mehr als die Beschwörung dieser Liebe sowie heftige Umarmungen auf allerlei Korridoren und sowie mehrfach im Bett bekommt der Zuschauer nicht zu sehen. Dann gibt es noch einen wild-russischen Rivalen, der Mathilde begehrt, und deren Konkurrentin Lagnani (Sarah Stern) – eine Konstellation, schlicht wie im Kindermärchen.

Wie im Märchen ist auch die jeglicher Logik von Ort und Zeit hohnsprechende Handlung: Immer trägt Mathilde ein nagelneues Outfit, als ob hinter jeder Tür eine Garderobe wartete. Die einzige Figur, die etwas von ihrer historischen Tiefe und Tragik ahnen lässt, ist die hessische Prinzessin Alix (Luise Wolfram), die Nikolaus pflichtgemäß heiratet, obgleich auch das aus dem Film heraus nicht einsichtig wird.

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Nichts wird einsichtig. Stattdessen werden Kostüme vorgeführt, Tausende an der Zahl, wie der Verleih stolz verkündet, alle so sauber, wie sie eben aus der Schneiderei gekommen sind, und all’ die güldenen Interieurs wurden ebenfalls kurz vor Drehbeginn auf Hochglanz gewienert. Alles künstlich; und noch die Bäuerlein, die vor dem kaiserlichen Personenzug die Knie beugen, sind wie aus dem Ei gepellt. Dass zudem vom Motorrad bis zum Filmprojektor allerlei neumodischer Schnickschnack vorgeführt wird, ausgerechnet am traditionalistisch verbohrten Hofe zu St. Petersburg – Nicky dreht selbst die Kurbel, wie ein Handelsvertreter, der den neusten Staubsauger vorführt – fällt da schon gar nicht mehr ins Gewicht.

Auftritt vom Putin-Freund

Nichts fällt ins Gewicht bei diesem Film, der nur Vorwand ist, die schöne, bisweilen halb entblößte Ballerina zu zeigen, ihren tumben Liebhaber. Und Gelegenheit gibt für einen Vorzeigekünstler des Putin-Regimes, den Dirigenten Valery Gergiev, das riesige Marinskij-Theater so richtig schön mit Musik (und Ballett) zu füllen. Am Ende sagt Alix, die als Einzige über Noblesse und Mienenspiel verfügt, ihre Rolle als betrogene, doch siegreiche Regentin glaubhaft zu machen, zu Nicky: „Ich liebe Dich. In diese drei Worte lege ich mein ganzes Leben.“ Das könnte sogar der historischen Wahrheit entsprechen. Denn Alix riss ihren eisern geliebten, doch schwächlichen Gatten und Zaren in bester Absicht immer tiefer ins Unglück. Und sie bezahlte. Mit ihrem Leben.

Der Film wird allenfalls als Schmonzette in Erinnerung bleiben. Was man mit Kostümen und historischen Szenarien machen kann, wenn man’s denn kann – da denkt man besser an Alexander Sokurows „The Ark“. Aber welch Vergleich! Möge Uchitel derweil der Bannfluch der Neo- Monarchisten treffen. Um dieses Werk wär’s nicht schade.

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