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Im Konzerthaus am Gendarmenmarkt spielen die besten Jugendorchester der Welt.

© Mike Wolff

Young Euro Classic: Hoffnungsträger aus der Türkei

Technisch überzeugend und mit viele romantischer Emphase: Das Jugendorchester aus der Türkei überzeugt bei Young Euro Classic.

Menschen, die befürchten, der Klassik könnte das Publikum wegsterben, kritisieren ja gerne die Kleidung der Orchester. Das einheitliche Schwarz, das dem Publikum eigentlich helfen soll, die Mitwirkenden als Gemeinschaft wahrzunehmen und so die Konzentration auf die Musik zu erleichtern, erscheint ihnen als zu steif, zu konservativ. Das, sagen sie, mache es jungen Leuten unnötig schwer, die Hemmschwelle zum Sinfoniekonzertbesuch zu überwinden.

„Young Euro Classic“, das Jugendorchestertreffen im Konzerthaus, wäre eine gute Gelegenheit, mal andere Bühnenoutfits auszuprobieren. Möchte man meinen. Tatsächlich aber treten die Ensembles hier ganz besonders konventionell gekleidet an. Am Sonntag trugen die Musiker aus der Dominikanischen Republik allesamt Krawatten, bei der Nationalen Jugendphilharmonie der Türkei, die am Mittwoch ihren umjubelten Auftritt hatte, sah man jede Menge bodenlange Kleider bei den Damen, schwarze Fliegen, weiße Hemden und sogar Lackschuhe bei den Herren. Nur ein einziger Rebell, ein Hornist, erschien jackettlos, im schwarzen Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln.

Die Teenager können es mit den Profis aufnehmen

Die Wahrheit ist wohl, dass gerade die Teenager aus den Nachwuchsorchestern besonders viel Wert auf korrekte Etikette legen – weil sie sich erwachsen fühlen wollen. Und weil sie so signalisieren, dass sie bereit sind, es in Sachen künstlerischer Qualität mit den Profis aufzunehmen. Zumindest bei den 82 Türkinnen und Türken, die diesmal mit Cem Mansur, dem Gründer der Nationalen Jugendphilharmonie, angereist waren, trifft das auch absolut zu.

Nachdem Ulrich Deppendorf auf diplomatisch-doppeldeutige Weise in seinem Grußwort das Orchester als Hoffnungsträger für eine weltoffene Türkei bezeichnet und lobend erwähnt hat, dass im Berufsfeld der Dirigenten die Zeit der Diktatoren ja glücklicherweise vorbei sei, erklingt die Ouvertüre zu Webers „Freischütz“ technisch absolut überzeugend und mit so viel romantischer Emphase, dass man gern gleich noch die ganze Oper dazu gehört hätte.

Neben Ausrufezeichen auch Fragezeichen

Souverän funktioniert auch die Kommunikation mit dem Solisten in Rachmaninows 2. Klavierkonzert. Dass Gökhan Aybulus im Eröffnungssatz kaum zu hören ist, liegt an Mansur, der das Orchester zunächst nicht genügend zügelt. Stilistisch aber sind sich alle einig, nämlich nicht auf Pathos und Überwältigung zu setzen, sondern auf Eleganz. Die Leichtigkeit, mit der Aybulus seinen vertrackten Klavierpart bewältigt, beeindruckt das Publikum derart, dass es sich gleich zwei Zugaben von ihm erklatscht.

Und auch die Orchestermusikerinnen und -musiker werden am Ende großzügig sein und die ausufernde „Meistersinger“- Ouvertüre als Extra spendieren, nachdem sie bereits die deutsche Erstaufführung von Füsun Köksals klanglicher Versuchsanordnung „Silent Echoes“ vorgestellt und Beethovens Achte absolviert haben. Bei aller mitreißenden rhythmischen Verve ging in der Sinfonie allerdings etwas unter, dass hier neben den vielen Ausrufezeichen auch einige Fragezeichen einkomponiert sind.

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