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Am Sonntag wurde auf der Bühne auch spontan getanzt.

© Kai Bienert

Young Euro Classic-Festival 2021: Eine Party zum Finale

Das Orquestra del Lyceum de la Habana macht aus dem Abschluss von Young Euro Classic im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt eine Fiesta.

„Es ist wirklich ein Wunder, dass es geklappt hat!“, ruft Sarah Willis in den Saal. Die Hornistin der Berliner Philharmoniker freut sich unbändig darüber, dass sie zum Abschluss von Young Euro Classic am Sonntag mit dem Orquestra del Lyceum de la Habana im Konzerthaus am Gendarmenmarkt auftreten kann, und zwar gleich zweifach, als Matinee und abends.

Jugendorchester aus Portugal und Spanien, aus Russland und den Niederlanden hatten kurzfristig ihre Teilnehme an dem Festival absagen müssen, weil die Entwicklung der Pandemie ihre Einreise vereitelte. Die Gäste aus Kuba dagegen haben es geschafft, konnten, mit Hilfe der deutschen Botschaft in Havanna, im Direktflug den Atlantik überqueren und ihre schon für 2020 geplante Tournee absolvieren. Nach Stationen beim Rheingau Festival, in Darmstadt, Kassel und Mainz präsentieren sie in Berlin nun „Mozart y Mambo“.

So heißt auch das fantastische Album, das sie im vergangenen Jahr mit Sarah Willis herausgebracht haben. Erst seit 2009 gibt es das Lyceum-Orchester überhaupt, 2016 kam ihre Debüt-CD heraus, mit der Pianistin Simone Dinnerstein, die ebenfalls Mozart gewidmet war. Eine unglaubliche Musikalität sprang den Hörer schon aus den Aufnahmen an: Unbedeutende Stimmen gibt es nicht, ob Melodie oder Begleitung, kein Ton wird routiniert abgeliefert, alle wollen ihr Maximum beitragen zum kollektiven Klang.

Das Orchester trägt die Hornistin auf Händen

Dieser Teamgeist ist auch im Konzerthaus zu erleben. Con fuoco jagen die jungen Leute unter der Leitung ihres Dirigenten José Antonio Méndez Padrón durch die Ouvertüre zu Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“, wie auf Händen getragen darf sich Sarah Willis anschließend im 3. Hornkonzert des Komponisten fühlen. Gerne hätte man noch mehr von der Mozart-Kompetenz der Kubaner gehört, die mit ihrem hierarchiefreien Spiel die Rokoko-Rhetorik so wunderbar verlebendigen können. Doch Sarah Willis hatte schon zu Beginn die Parole ausgegeben, dass dieses Abschlusskonzert eine Party werden sollte.

Und darum übernehmen jetzt die Perkussionisten das Kommando, eine Frau und drei Männer, wobei Yuniet Lombida Prieto auch mal zum Saxofon greift, um im Solistendoppel mit Sarah Willis vorzuführen, wie Mozart das Rondo seines 3. Hornkonzerts wohl komponiert hätte, wenn er auf Kuba groß geworden wäre. Der Trompeter des Lyceum-Orchesters wiederum wird für die charmant moderierende Philharmonikern zum Duettpartner bei zwei kubanischen Klassikern, „Dos Gardenias“ und „El Manisero“.

Anschließend geht es draußen weiter

Neben den Samba-, Conga- und Mambo-Rhythmen, die von den Musiker:innen auf der Bühne spielend mitgetanzt werden, und im zunehmend euphorisierten Saal zu wippenden Fußspitzen führen, prägt Improvisationslust die Performance der Gäste aus der Karibik. Wie beim Jazz tritt immer wieder jemand aus der Gruppe hervor, auf die Spitze treibt es die Geigerin Jenny Pena Campo, wenn sie sich ein wahres Violinvirtuosenduell mit dem Konzertmeister liefert, in der von ihr arrangierten Nummer „Samba Son“.

Und während das Publikum sich bei diesem unbeschwerten Happening zwei Zugaben erjubelt, dürfte von der Festivalmacherin Gabriele Minz und ihrem Team der Stress abgefallen sein, den es bedeutete, in diesen Zeiten ein international besetztes Orchesterfestival auf die Beine zu stellen. Nach der kammermusikalischen Version von 2020 hat Young Euro Classic wieder in gewohnter Klangpracht stattgefunden, die 17 Konzerte waren zu 98 Prozent ausverkauft, viele Abende sind noch in Mediatheken verfügbar (Infos dazu unter www.young-euro-classic.de). Die Spielwütigen aus Havanna geben am Sonntagabend noch lange nicht Ruhe. Nachdem sie in einer Polonaise aus dem Saal marschiert sind, feiern sie weiter in der Berliner Tropennacht.

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