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Klangzauberer. Saxofonist Yasuaki Shimizu.

© promo

Yasuaki Shimizu live in Berlin: Zauber der Formen

Der japanische Saxofonist Yasuaki Shimizu schafft im Funkhaus Nalepastraße hypnotische Schwebezustände.

Japan ist, auch musikalisch betrachtet, nicht der Nabel der Welt, aber allemal ein heißer Tummelplatz für spannende Klangzauberer, die abseits von Hitparaden und Modestilen agieren. Einer, der unbedingt dazugehört, ist der Saxofonist Yasuaki Shimizu, der seine Karriere in den Siebzigern begann und schon mit so unterschiedlichen Leuten wie Ryuichi Sakamoto, Van Dyke Parks oder Björk zusammenarbeitete. Die längst verdiente Anerkennung hat er aber erst in den letzten Jahren erlangt, durch die Vinyl-Wiederveröffentlichung seines Albums „Kakashi“ von 1982 sowie dem mit seiner Band Mariah eingespielten Meisterwerk „Utakata No Hibi“ von 1983, mit der er aufregenden Avant-Pop spielte, bevor er in den neunziger Jahren auch mit Soloaufführungen von Bach am Saxofon bekannt wurde.

Shimizu hätte freilich auch gut zum Jazzfest (s. rechts) gepasst, das parallel zum Auftritt des Japaners seinen Abschlussabend feierte. Allerdings vermittelt der Begriff Jazz trotz des dominanten Saxofonspiels keine rechte Vorstellung von den verträumt-verschunkelten, fetzig-freien, in allen Farben schimmernden Klangwelten, die sich im Funkhaus auftun, wo sich auch zahlreiche Schallplattenfreunde, DJs und Rare-Groove-Soziologen versammelt haben, um zu überprüfen, wie der 64-jährige Japaner seine Musik auf die Bühne bringt, die auch nach über 30 Jahren noch ein wunderbares Rätsel ist. Er beginnt mit „Bridgestone No.1“ aus dem 1987 erschienenen Album „Music For Commercials“, während die meisten der folgenden Songs von „Kakashi“ stammen. Mit lässiger Eleganz bringt Shimizu sein Tenorsaxofon zum Jubilieren und multipliziert sich mit einer Reihe von Loop-Pedalen selbst, während sein Mitstreiter Ray Kunimoto die Klänge digital manipuliert und mit sparsamen Keyboardtupfern oder Vogelzwitschern unterfüttert. Jedes Stück ist einfach wunderschön. Manchmal überwältigt einen Shimizu einfach mit seiner schieren Musikalität, wenn er mit seinem Instrument ein von Albert Ayler inspiriertes Brachial-Motiv schmettert oder eine lang gezogene Sehnsuchtsmelodie hervorkitzelt, so sanft und zärtlich, wie man es nie für möglich gehalten hätte. Dann wieder gleitet Ska-Artiges durchs Klangbild oder arbeitet sich Japanisch-Folkiges in den Vordergrund. Dabei bilden die pulsierenden Loops meistens die rhythmische Grundlage für die diskret zersplitterten und herrlich verbogenen Melodien, die sich untereinander einhaken und abenteuerlich durcheinanderwirbeln, bis sie im Hall verschwimmen und davontreiben wie Fetzen verlöschenden Lichts.

Subtiler Humor

Achtzig Minuten lang wird eine beeindruckende Stimmung gehalten, in der sich die hymnischen Errungenschaften des Jazz mit den hypnotischen Schwebezuständen der Minimal Music sowie einem Haufen weiterer Soundeinfälle verbinden und in etwas ganz Eigenes verwandeln. Als Shimizu ein seltsames Radiogerät zum Einsatz bringt und damit durch die Berliner Senderlandschaft scratcht, kommt sein subtiler Humor zum Tragen, der während des gesamten Konzerts ebenso präsent ist wie diese beinahe kindliche Freude am musikalischen Ausdruck und ein humaner Charme. Das Publikum ist jedenfalls hingerissen und freut sich schon auf Midori Takada, die ebenfalls zu den wiederentdeckten Klangzauberern aus Japan gehört und am Donnerstag im Funkhaus auftritt.

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