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Das Borchardt, Austragungsort des ersten "Writers' Thursday"

© Imago

Writers' Thursday im Borchardt: Müssen alle viel reden

Popliteratur revisited, im und mit dem Geist von Joachim Lottmann? Oder doch viel mehr ein neuer Literatursalon? Am Donnerstagabend fand im Borchardt erstmals der sogenannte Writers' Thursday statt.

Als die Einladungen zu diesem sogenannten Writers’ Thursday im Borchardt eintrafen, und es waren nicht wenige, was für manche Verwirrung sorgte, dachte man zunächst, es mit der Inszenierung eines Popliteratur-Comebacks zu tun zu haben. Lesungen von Alexa Hennig von Lange aus ihrem Uraltroman „Relax“, von Anne Phillippi aus ihrem ganz neuen, der Popliteratur verpflichteten Roman „Giraffen“, von Rainer Schmidt aus „Die Cannabis GmbH“, von Jörg Böckem, Adriano Sack, Ingo Niermann (der dann allerdings nicht kam) sowie dem Schauspieler Christian Berkel (der aus einem alten T.C.Boyle-Drogenroman las), und alles unter dem Motto „Drogen, Abenteuer, Nachtleben“. Zudem das Borchardt als Austragungsort, in den Salonräumen im ersten Stock der obersten Vergnügungszentrale der frühen Berliner Republik – da kamen unwillkürlich Erinnerungen an die neunziger und frühen nuller Jahre auf. An Veranstaltungen bei Ingeborg Wiensowski am Lietzenseeufer, wo zum Beispiel Christian Kracht seine Anthologie „Mesopotamia“ vorstellte; an Abende mit Kracht, Eckhart Nickel und anderen, die sich im Eggers-und-Landwehr-Agentur-Café in der Rosa-Luxemburgstraße die Klinke in die Hand gaben. Oder an die „Letzte lange Nacht der Popliteratur“, zu welcher der Popschriftsteller und „Erfolgsautor“ Joachim Lottmann 2003 in den Kurvenstar einlud.

Lottmanns neuer Roman soll "Happy End" heißen

Tatsächlich hatte das Ganze etwas von einem Klassentreffen. Hier der Leseraum mit den fünf großen Wolfgang-Tillmans-Fotografien, dort das Bibliothekszimmer (mit vielen Kunstbänden und Karl-May-Reihen, Diogenes-Krimis, Literaturzeitschriftena oder Kempowskis „Echolot“, und auch Rainald Goetz' Roman Johann Holtrop lag auf einem Bücherstapel herum. Und natürlich das anwesende Publikum. Das setzte sich aus wohlbekanntem Personal zusammen, zum Beispiel Rafael Horzon (Moebel Horzon, „Das weiße Buch“), Holm Friebe (Zentrale Intelligenz Agentur, „Die Stein-Strategie) oder Claudius Seidl („FAS“, „Schöne junge Welt: Warum wir nicht mehr älter werden“). Und aus vielen Neuankömmlingen wie Helene Hegemann, Andrea Hanna Hünniger oder der vermeintlich ach so hippen neuen Springer-Posse.

Joachim Lottmann war zwar nicht da, aber zumindest sein Geist schwebte über dem Ganzen. So hörte man, dass Lottmann demnächst einen neuen Roman veröffentlicht. „Happy End“ soll der heißen, erscheint Ende Juni, und zwar nicht bei Kiepenheuer & Witsch, sondern bei Haffmans und Tolkemitt. Das zum einen aus alter Verbundenheit, Lottmanns Zweitling „Deutsche Einheit“ erschien 1995 bei Haffmanns. Und zum anderen, weil „Happy End“ gebunden veröffentlicht wird. Bei Lottmanns Stammverlag KiWi sollte es vermutlich wieder ein Paperback geben, was einen Erfolsgautor naturgemäß verletzt.

Die Idee dieses „Writers’ Thursday“ ist allerdings eine andere, als die Popliteratur wiederauferstehen zu lassen. Initiert hat die Veranstaltung der Journalist und Schriftsteller Rainer Schmidt – und nicht der Verlag Rogner & Bernhard, wo Schmidt und viele der anderen Vorleser dieses Abends unter Vertrag sind. Auch nicht der Autobauer Audi, der bloß ein bisschen mitsponsorte. Und auch nicht das Borchardt Restaurant, das halt seine schönen Räume im ersten Stockwerk zur Verfügung stellt, sollen ja genutzt werden. Schmidt schwebt eine ständige Einrichtung vor, ein Salon, wenn man so will. Vier Mal im Jahr will er den „Writers’ Thursday“ im Borchardt stattfinden lassen. Der nächste wird im Juni sein, unter anderem mit Westbam, Wolfgang Müller und Inga Humpe (die aus Kim Gordons Biografie lesen soll, „A Girl In A Band“).

Ob es an dann wieder so rappelvoll wird? Am Debütabend zeigte sich, dass die Idee der vielen kurzen Lesungen zwar eine gute ist, dass Tempo, Tempo, Tempo durchaus eine Alternative zum häufig zu langen Vorstellen, Lesen und moderierten Reden bei Lesungen danach sein kann. Aber gegen das Bedürfnis des Publikums, sich auszutauschen, hatten es die Autoren und Autorinnen schwer. Vor den beiden Bars und im Bibliothekszimmer gerade im zweiten Teil der Lesenacht war es mitunter voller (und die Luft besser) als im Leseraum. Haben halt alle viel zu reden.

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