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Stilbildend. Eine Ausgabe des "twen" aus dem Jahr 1966. Die Jugendzeitschrift erschien bis 1971. Willy Fleckhaus prägte ihr Design und Layout.

© Will McBride Estate, MAKK, Carsten Wolff/Fine German Design

Willy Fleckhaus-Ausstellung: Die Welt als Raster und Regenbogen

Optisches Feuerwerk: Willy Fleckhaus gestaltete die "twen" und prägte das Buch- und Zeitschriftendesign der alten BRD. Eine Ausstellung in München würdigt sein Werk.

Fällt der Name Willy Fleckhaus, so wird unweigerlich vom „twen“ geschwärmt, dieser Zeitschrift der sechziger Jahre, die, glaubt man ihren Anhängern, „wie ein reinigendes Gewitter“ nicht nur in den Zeitschriftenmarkt ihrer Zeit, sondern in die späten Adenauer-Jahre überhaupt hineinbrach. 124 von 129 Heften des „twen“ hat Willy Fleckhaus zwischen 1959 und 1971, dem Sterbejahr des Magazins, gestaltet. Insofern war es „seine“ Zeitschrift, und etwaige Vorgaben des Chefredakteurs werden lediglich Anhaltspunkte für das optische Feuerwerk gewesen sein, das Fleckhaus, in den Anfangsjahren noch ganz Schwarz-Weiß und ultra-cool, auf den Seiten abbrannte.

Man kennt die aufgeschlagenen Doppelseiten mit ihren bis an den Rand vergrößerten, durch den Bruch gehenden Fotografien, neben denen schmale Kolumnen einen Rest von Text bewahrten; die zu eigenständigen Elementen geronnenen fetten Überschriften, gern nur aus einem aufgeblasenen Wort bestehend, und das Ganze dann als visuelle Story über eine ganze „Bildstrecke“. Nun sahen nicht alle Seiten so aus, schließlich wollten die Leser für damals nicht unbescheidene zwei Mark Heftpreis Abwechslung haben, und gegen Ende der Sechziger schlich sich pop-artige Buntheit ein, nicht von ungefähr zählte auch Heinz Edelmann, der spätere „Yellow Submarine“-Gestalter, zu den Illustratoren

Meister und Werk. Willy Fleckhaus fotografiert von Will McBride (um 1964).
Meister und Werk. Willy Fleckhaus fotografiert von Will McBride (um 1964).

© Will McBride Estate, MAKK, Carsten Wolff/Fine German Design

Ohne kalendarischen Anlass findet die Ausstellung „Fleckhaus. Design, Revolte, Regenbogen“ statt, die nach ihrer Premiere in Köln nun im Münchner Museum Villa Stuck zu sehen ist. In München war der „twen“ nach seiner Gründung in Köln zu Hause. Und in München zu Hause ist auch der Publizist und Sammler Hans-Michael Koetzle, der der Ausstellung etliche Preziosen geliehen und gemeinsam mit Carsten Wolff das vorzügliche Begleitbuch verfasst und dafür gesorgt hat, dass sich Fleckhaus (1925–1983) nicht im Grabe herumdrehen muss.

Der „twen“ brachte eine Prise Hedonismus in die Jugendzimmer des gutbürgerlichen Nachwuchses, der, als der Wind sich Richtung politischen Protest zu drehen begann, von ebendieser Zeitschrift nichts mehr wissen wollte. Fleckhaus, als belesener Zeitgenosse gerühmt, ohne dass er das vor sich hätte hertragen müssen, konzentrierte sich in den Folgejahren auf Buchgestaltung, und dafür hatte er genau den richtigen Verleger gefunden: Siegfried Unseld, dem er bereits 1959 begegnet war, und den Suhrkamp Verlag. Es wurde eine Glücksbeziehung.

Die "edition suhrkamp" wird zum großen Imageerfolg

Die war es, um korrekt zu sein, auch vorher schon, schließlich hatte Fleckhaus 1959 mit dem Reihenentwurf für die „Bibliothek Suhrkamp“ – weißer Schutzumschlag mit farbiger Bauchbinde – eine bis heute wiedererkennbare Gestaltung von, wie heißt es so schön, „zeitloser Modernität“ gefunden. Nur noch Bibliophilen bekannt ist die „sammlung insel“, die 1965 nach dem Ankauf des Insel Verlags durch Suhrkamp entstand und entlegene Texte literarisch-politischen Inhalts barg, ein bisschen zu abgehoben, sodass nach 52 Einzelbänden bereits 1969 Schluss war.

Die ersten 48 Bände der "edition suhrkamp" von 1963.
Die ersten 48 Bände der "edition suhrkamp" von 1963.

© MAKK, Carsten Wolff/Fine German Design

Das hier erstmals praktizierte Prinzip des einfarbigen Umschlags baute Fleckhaus zum größten Imageerfolg eines bundesdeutschen Verlags aus: der „edition suhrkamp“ (es) mit ihren 48 Regenbogenfarben, die – und das ist der Clou – in strenger Reihung aufeinander folgen und so beim Buchhändler jenen unweigerlich ins Auge fallenden Regenbogen erzeugen. Das kam 1963 mit Macht über den Handel. Der Genauigkeit halber sei gesagt, dass Suhrkamp mit der „es“ auf den Erfolg des neu gegründeten Deutschen Taschenbuchverlags dtv antwortete, dessen Reihengestaltung durch den Schweizer Celestino Piatti sich als überaus erfolgreich erwies und einige Elemente dessen verwendete, was Fleckhaus bei Suhrkamp erproben durfte.

Fleckhaus sorgt dafür, dass jede Ausgabe neu aussieht

In den siebziger Jahren erreichte die „Suhrkamp Culture“, als die sie George Steiner adelte, ihren Gipfel. Die 68er-Generation dürstete nach Theorie, Suhrkamp gab sie ihr mit Adorno, Benjamin, Bloch, Habermas, Marcuse – Horkheimer war leider bei Fischer. Literarisch waren Brecht, Beckett, Proust schon länger im Programm, ließen sich aber fabelhaft in das Format der „es“ pressen; Max Frisch ist unter dem ersten vollen Regenbogen gleich drei Mal vertreten, dazu Eich, Enzensberger, Hildesheimer, Walser; Peter Weiss folgte bald darauf.

1971 kamen die immens erfolgreichen „suhrkamp taschenbücher“ hinzu, gedacht als Zweitverwertung vormals gebundener Bände. Fleckhaus entwickelte für die Taschenbücher eine knallig-bunte, aber eigentlich doch reduzierte Farbskala, 1973 dann deren Ableger, die Wissenschaftsreihe „stw“, nun ganz in Schwarz mit farbiger, ultrafetter Titelei. Dazwischen die eher biedermeierlichen „insel taschenbücher“, auch sie mit sogleich Dutzenden, Hunderten Ausgaben, darunter viel gemeinfreier Goethe.

Unselds legendäres Geschick, Texte zweit-, dritt- und viertzuverwerten, wäre ein eigenes Kapitel wert. Fleckhaus sorgte dafür, dass jede Ausgabe neu aussah, auch ohne es zu sein. Was der jetzige Katalog verschweigt, ist die proportional zur Zunahme der Reihen abnehmende Druck- und Ausstattungsqualität. Man nehme nur mal ein frühes „edition“-Bändchen mit eigenem Schutzumschlag in die Hand und vergleiche es mit dem, was Mitte der Siebziger ausgeworfen wurde.

Beim „Frankfurter Allgemeine Magazin“ läuft er zur Hochform auf

Dazwischen gab es den ehrenwerten, aber letztlich hypertrophen Versuch, eine eigene „Suhrkamp Literatur Zeitung“ für Oberschüler zu etablieren. Das funktionierte nun gar nicht. Fleckhaus entwarf zudem für die gehobenen Leinenbände des Verlags jeweils eigene Umschläge, da waren manche zeitgeistige, gewollt spielerische Elemente dabei.

Und er erlaubte sich, inkognito und unter Dehnung des üblichen Konkurrenzverbots, auch die „Serie Piper“ neu zu gestalten, die sich gleichfalls gehalten hat und so gar nicht nach Suhrkamp aussieht. Denn wenn man in den siebziger, achtziger Jahren in seine Buchhandlung ging, konnte einem die Suhrkamperitis schon auf den Wecker gehen. In der Anhäufung der einander verwandten Bücher merkt man, warum: Too much is too much.

Vielleicht war Fleckhaus wirklich der geborene Zeitschriftenmann. Beim „Frankfurter Allgemeine Magazin“, gegründet 1980, um einmal wöchentlich Farbanzeigen in einem angenehmen redaktionellen Umfeld akquirieren zu können, lief Fleckhaus zur Hochform auf. Denn da konnte jedes einzelne Heft als Teil einer Reihe und doch individuell hervortreten. Meisterlich der Umgang mit den Illustrationen – nicht notwendigerweise Fotografien, aber wenn, dann farbig. Sie konnten freigestellt, angeschnitten, doppelseitig sein, Klein gegen Groß gestellt, der Text drum herum laufend und selbst als grafisches Element betrachtet, von Ferne ein schwarzes Gebilde, das sich um die Bilder schmiegt. Bis 1999 existierte das „Magazin“. Dann waren die goldenen Jahre der „FAZ“ vorüber, und die nackte Ökonomie bemächtigte sich des Verlages und der Opulenz seines Vorzeigeprodukts.

Ein ganz eigener Jugend-Stil

Was macht nun den Fleckhaus-Touch aus? Das Raster, sagen die grafisch Gebildeten. Bei der „edition suhrkamp“ ist das leicht zu verstehen. Da gibt es acht Linien, und dazwischen liegt linksbündig die Titelei; bei den Zeitschriften ist es schon schwieriger zu entdecken. Haben denn andere Gestalter kein Raster gekannt? Fleckhaus verehrte zeitlebens Max Bill, den großen Schweizer, der an der Ulmer hfg (Hochschule für Gestaltung) gegen das früh-bundesdeutsche Biedermeier ankämpfte, aber er mochte nicht dessen Kargheitsschrift Helvetica. Fleckhaus war kein Purist, was Schriften anging; Hauptsache, sie sprangen ins Auge.

So auch die Fotos, die er zu „twen“-Zeiten bei Newcomern wie Will McBride in Auftrag gab. Fleckhaus machte emotionale Gestaltung, nicht sentimentale. Dass seine Retrospektive nun ausgerechnet in der Jugendstil-Villa Stuck gezeigt wird, ist von feiner Ironie. Fleckhaus schuf einen ganz eigenen Jugend-Stil, nicht immer zeitlos, aber immer modern.

München, Museum Villa Stuck, Prinzregentenstr. 60, bis 10. September. Katalog bei Hartmann Books (Stuttgart), 29,90 €.

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