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Von der Bühne ins Museum. Forsythe stieg als Leiter des Frankfurter Balletts zu Weltruhm auf.

© picture alliance / dpa

William Forsythe wird 70: Der Revolutionär des Balletts

William Forsythe gilt als einer der bedeutendsten Choreographen der Gegenwart. Der US-Amerikaner brachte das Ballett in die Gegenwart. Heute wird er 70.

Von Sandra Luzina

Für viele ist William Forsythe immer noch der bedeutendste Choreograf der Gegenwart. Auch wenn es in den letzten Jahren still um ihn wurde. Der amerikanische Tänzer gilt als großer Neuerer.

Er verwandelte das Ballett in eine radikal zeitgenössische Kunstform – und fand dabei auch Inspiration bei anderen Künsten. Zerlegen, neu ordnen, variieren – so nähert er sich der Tradition des Balletts.

Wenn seine spezifische Ästhetik erläutert wird, ist oft von „Dekonstruktion“ die Rede. Er selber ist nicht glücklich mit diesem Label.

„Der Begriff Dekonstruktion zeugt doch von Faulheit“, sagte er im Tagesspiegel-Interview. „Wir selber bemühen uns hingegen jeden Tag darum, eine Sprache zu entwickeln für das, was wir künstlerisch umsetzen. Umschreiben ist ein angemessener Begriff. Denn das Ballett ist für mich ein Schreiben – auf der Grundlage der Geometrie.“

William Forsythe, am 30. Dezember 1949 in New York geboren, begeisterte sich als Junge für Fred Astaire und Musicalfilme, aber auch für den Rock ’n’ Roll.

Zwei produktive Dekaden

Er tanzte zunächst beim Joffrey Ballet, John Cranko holte ihn 1973 ans Stuttgarter Ballett. Seine erste Choreografie entstand 1976 für die Stuttgarter Noverre-Gesellschaft. In der Spielzeit 1984/85 übernahm er die künstlerische Leitung des Frankfurter Balletts.

Unter seiner Direktion betrat die Compagnie Neuland. Es folgten zwei überaus produktive Dekaden, in denen sich das Frankfurter Ballett Weltruhm ertanzte. Wichtige Arbeiten hießen „Artifact“ (1984), „Impressing the Czar“ (1988), „Limb’s Theorem“ (1991) oder „Eidos:Telos“ (1995). Forsythe eroberte dem Tanz ein neues Publikum.

Viele Theaterregisseure nennen heute Forsythe und das Frankfurter Ballett als wichtigen Einfluss. Als die Truppe 2004 abgewickelt wurde – eine Sparmaßnahme –, waren viele fassungslos. Forsythe musste sich neu orientieren und gründete 2005 das kleinere Ensemble „The Forsythe Company“, finanziell unterstützt von den Bundesländern Hessen und Sachsen.

Er bleibt ein ewig Forschender

Seine Arbeiten setzten nun stärker auf Improvisation und bewegten sich oft an der Grenze zur Installation. 2015 überantwortete er die Leitung dem italienischen Choreografen Jacopo Godani, der sie als „Dresden Frankfurt Dance Company“ weiterführt.

Forsythe zog sich aus der Öffentlichkeit zurück und präsentierte danach in Museen das, was er „choreografische Objekte“ nennt: interaktive Videowände oder Anweisungen auf Wandkärtchen wie „Bitte benutzen Sie nur die Ringe, um den Raum zu durchqueren“.

Doch der Bühne hat er nicht abgeschworen. Den wunderbaren Tanzabend „A Quiet Evening of Dance“ hat er 2018 mit einigen seiner langjährigen Tänzer erarbeitet. Und das Boston Ballet krönte im März dieses Jahres den Abend „Full on Forsythe“ sogar mit einer Uraufführung. Der Revolutionär hat plötzlich wieder die Liebe zum klassischen Ballett entdeckt.

„Es liegt an dir, neue Kombinationen zu finden, die das Akademische in eine lebendige Form der Kommunikation verwandeln“, sagt er.

William Forsythe, derzeit Professor of Dance und Künstlerischer Berater des Choreografischen Instituts an der University of Southern California in Los Angeles, feiert heute seinen 70. Geburtstag. Er bleibt ein ewig Forschender. Wir gratulieren.

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