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Blick in Mozarts Himmel. Daniel Barenboim.

© Sören Stache / dpa

Wiener Philharmoniker: Auf Du und Du

Daniel Barenboim dirigiert in Berlin die Wiener Philharmoniker - mit Wolfgang Amadeus Mozart.

Daniel Barenboim wartet nicht lange, bis es ruhig wird. Sportlich, fast hemdsärmelig stürmt sie voran, Mozarts Haffner-Sinfonie, dieses aus einer hastig verfassten Auftragskomposition entstandene Werk, das vor gut zwei Wochen auch Kirill Petrenko hier in der Philharmonie dirigierte. Nun sind’s die Wiener Philharmoniker unter Barenboims Leitung im Rahmen der Staatsopern-Osterfesttage, und schon nach wenigen Takten ist der Unterschied mit Händen zu greifen.

Die Wiener sind auf Du und Du mit ihrem Mozart, gehen den D-Dur-Pomp ebenso temperamentvoll und unbekümmert an wie die Menuette, setzen hier eine Duftnote, dort ein Rubato, verwandeln das Presto-Finale in einen Wettstreit flinker Selbstläufer. Hier tanze ich und kann nicht anders. Petrenko hatte umgekehrt Einhalt geboten, die Partitur auf Herz und Nieren abgeklopft, die Mozartsche Ornamentik so präzise wie möglich erkundet. So leuchtete er ins versteckte Innere der Feierlaune und Lebenslust signalisierenden Sinfonie. Barenboim hingegen stülpt jede Note nach außen, ohne die Kontraste zwischen majestätischen Haupt- und aparten Seitengedanken allzu sehr zu betonen.

In Arnold Schönbergs Kammersymphonie op.9, vom Komponisten als Werk „Für 15 Soloinstrumente“ annonciert, spielen die Wiener Philharmoniker fast schon ohne den Mann am Pult. Die Fäden, die Barenboim lose zusammenhält, spinnen die Musiker vornehmlich selbst. Ist ja ebenfalls einer von ihnen, dieser Schönberg, der in dem 22-minütigen, einsätzigen Stück von 1906 um harmonische Logik jenseits der Tonalität ringt. Ein Vorbote der Zwölftontechnik: Aber auch hier ist den Wienern alles Grüblerische fremd, es dominiert die Spielfreude, von den berühmten aufsteigenden, durch die Stimmen wandernden Quarten zu Beginn bis zum urban anmutenden Getümmel, den Kulminationspunkten von Schönbergs Mikrostrukturen.

Mozart mit breitem Pinselstrich

Übrigens bieten die Gäste aus Wien einen recht ungewöhnlichen Anblick. Eine einzige Frau (das Englischhorn) sitzt im 15-köpfigen Ensemble. Bei Mozart sind es gerade mal sechs, im Namensverzeichnis des Orchesters finden sich rund 10 Prozent Frauen. Was für ein Fortschritt: Bis 1997 waren bei den altehrwürdigen Philharmonikern überhaupt keine Musikerinnen zugelassen, 2014 kamen sie auf knapp 6 Prozent – es geht halt langsam in Wien.

Und es geht weiter genießerisch zu. Auch Mozarts Jupiter-Sinfonie statten die Wiener mit breitem Pinselstrich und opernhaft effektvollen Auftritten aus. Mancher Einsatz verwischt, aber das macht nichts. Souverän hält man die Balance zwischen Eleganz und Elan. Flächig ausgespielte Synkopen, üppiger Sound, von Barenboim befeuert.

Bei allem Überschwang wird nie forciert, man wahrt die Contenance, die Tradition. Mozarts harmonischer Wagemut animiert ein Mädchen im Publikum zum vorzeitigen enthusiastischen Applaus beim Septakkord vor der Coda – schon recht, Mozarts Eskapaden verführen dazu. Die Wiener Philharmoniker ficht kein Selbstzweifel an, hier ist eine Gesellschaft ganz und gar im Reinen mit sich. Auch mal schön. Und jetzt Applaus von allen.

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