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Künstlicher Nebel vor der Fassade des Hauses der Berliner Festspiele - Startschuss der drei Projekttage «Palast der Republik».

© dpa

Wiederauferstandener Palast der Republik: In Erichs Lampenladen brennt noch Licht

Sozialismus immersiv: Die Berliner Festspiele simulieren in ihrem Haus den abgerissenen Palast der Republik.

Der Palast der Republik hat mitgeholfen, in Dubai das höchste Gebäude der Welt zu errichten. Er ist auch in die Motoren eines großen deutschen Automobilherstellers eingegangen, als ultimativer sozialistischer Antrieb sozusagen. Jedenfalls war das Stahlgerüst dieses DDR-Baus, 4000 Tonnen schwer, nach dem Abriss sehr gefragt und in eingeschmolzener Form und erneut gehärteter Form bestens wieder verwendbar.

Aus dem Stadtbild ist der Palast seit über zehn Jahren verschwunden. Das Gebäude war ja asbestverseucht und in den Augen vieler eben auch ideologisch kontaminiert, weswegen nun bald Preußens Glorie im Herzen der Stadt Wiederauferstehung in Schlossgestalt feiert. Dem englischen Performer, Autor und Zauberkünstler Augusto Corriere erscheint das etwas befremdlich. Es erinnert ihn vor dem Hintergrund der anhaltenden Brexit-Querelen an die Sehnsucht der eigenen Landsleute nach einer schwarz-weißen Weltordnung des 19. Jahrhunderts.

Rückwärtsgewandte Zukunft

Vier Tage lang hat sich Corriere in Berlin auf die Suche nach sichtbaren und unsichtbaren Überresten des vormaligen Volkskammer-Sitzes und Kultur-Hauses begeben, ist mit Baudrillard im Gepäck auf die Baustelle gezogen, hat Postkarten mit Neu-Schloss-Simulationen gekauft und sich Gedanken darüber gemacht, was es bedeutet, die Vergangenheit mit der Projektion einer rückwärtsgewandten Zukunft ausblenden zu wollen. Entstanden ist daraus eine Lecture Performance, eine unterhaltsame Schnitzeljagd für Theorie-Fans mit Faible für Zeichen und Zitate.

Die wiederum war Teil des großen Diskurs-Wochenendes „Palast der Republik“, das die Berliner Festspiele in ihrer Reihe „Immersion“ ins Leben gerufen haben. Der Künstler Dominic Huber hat dafür eigens die Scheiben des Gebäudes an der Schaperstraße mit orange schimmernder Folie beklebt, einen Ährenkranz aufgehängt und dem Haus so zumindest äußerlich den passenden Palast-Flair verliehen.

Im Kassenfoyer türmt sich Mobiliar, das in einem Abstellraum in Pankow gefunden wurde, zur Installation „Sturzlage“ der Künstlerin Gabriele Dolff-Bonekämper. Die gestapelten Stühle mit Plüschbezug stammen vom Zentralen Runden Tisch der DDR, wo über alternative Verfassungsentwürfe beraten wurde, ohne dass es nennenswerte politische Folgen gehabt hätte. Entsprechend steht dieses Möbel-Arrangement für ein Ideen-Antiquariat ohne Kundschaft.

Progressive Impulse aufgreifen

Die Berliner Mauer mit dem „DAU“-Projekt wieder erstehen zu lassen – dieser Plan der Festspiele hat sich bekanntlich zerschlagen. Jetzt kommt das DDR-Haus zurück, das in seiner kurzen Blüte, zwischen Eröffnung 1976 und Schließung 1990, für „Weltoffenheit und Modernität“ stehen sollte, wie Intendant Thomas Oberender im Programm schreibt. Scheint da ostalgische Verklärung auf, ein „Rückwärts immer, vorwärts nimmer“-Motto? Nein, „der symbolisch neu errichtete Palast versucht die progressiven Impulse der Revolution im Osten aufzugreifen“, versichert der Chef-Denker des kuratorischen Teams.

Für dieses Impulse-Fischen wird drei Tage lang das volle Diskurs-Geschütz aufgefahren. Mit Filmen über das „Treuhand-Trauma“ und die kulturelle Zwischennutzung als „Volkspalast“, mit „Parlamentarischen Ausschüssen“, die von Künstlern, Zeitzeugen und Experten bestritten werden, mit prominenten Speakern (von Bernhard Schlink bis Yanis Varoufakis) und mit Diskussionen en masse. Zum Beispiel zur Frage, warum Ostdeutsche und Migranten sich so selten als Schicksalsgefährten in Sachen Marginalisierung zu begreifen scheinen.

Ich bin mein eigener Roboter

Als Palast-Replik ist das Haus der Berliner Festspiele bis in den letzten Winkel in einen Zustand der forcierten Betriebsamkeit versetzt worden. Vielleicht ist auch die Konfusion angesichts des Overkills der zeitgleichen Veranstaltungen Programm. Auf der Seitenbühne findet allerdings etwas statt, das ganz anders fokussiert zum Nachdenken über Fassaden und ihr Echtheitsversprechen einlädt. In der Produktion „Uncanny Valley“ der Gruppe Rimini Protokoll, entstanden an den Münchner Kammerspielen, sitzt der Schriftsteller Thomas Melle („Die Welt im Rücken“) vor seinem Laptop.

Das Unheimliche oder Faszinierende, dabei: Dieser Melle, der da mit aufgezeichneter Stimme spricht, ist ein animatronisches Double. Ein Roboter mit glaubhaftem Gesicht und offenem Hinterkopf, aus dem die Schaltkreise herausschauen. Das Menschenähnliche ist dem Menschen aber nicht wirklich geheuer. Es muss schon die perfekte Simulation her, um so etwas wie Empathie empfinden zu können. Mit dem Palast der Republik verhält es sich nicht anders. Das Gebäude, das hier beschworen wird, bleibt ein Geisterhaus.

„Uncanny Valley“ noch einmal am 11. und 12., 13. bis 17. März

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