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In der Midlife–Crisis. Wheeler, gespielt von Felix Rech.

© Matthias Horn

„Wheeler“ am Berliner Ensemble: Bock auf Scheitern

Weißer, heterosexueller Mann in der Krise: Oliver Reese inszeniert Tracy Letts Loserdrama „Wheeler“ am Berliner Ensemble.

Wheeler wäre eine großartige Rolle für Louis C.K.. Jedenfalls bestens geeignet für einen dieser amerikanischen Comedians, die dauergrantig auf eine Welt blicken, in der sie als weiße, heterosexuelle Männer alle Privilegien genießen, weshalb auch niemand sie wegen ihrer Midlife-Crisis und ihrem fortwährenden Scheitern bedauert. Was die Laune noch mieser werden lässt. Als aggressive Melancholiker wissen sie um die eigene Lächerlichkeit, haben im Zweifelsfall (wie Louis C.K.) obendrein einen #MeToo- Skandal provoziert, sind genervt vom nicht nachlassenden Sex-Drive, der sie dazu zwingt, sich immer weiter zum Hanswurst zu machen. Alles keine Tragödie. Das ist ja gerade das Problem.

Wheeler heißt der Titelheld im jüngsten Stück des amerikanischen Autors und Schauspielers Tracy Letts, dessen großer Wurf „Eine Familie“ (im Original: „August: Osage County“) auch einen langjährigen Siegeszug durch die deutschsprachigen Theater hinter sich hat. Verlogene Familienhöllen in der Tradition von Tennessee Williams, geladen mit dem schwarzen Humor einer Splatter-Komödie, sind nun mal international anschlussfähig. An Oliver Reeses Berliner Ensemble ist das Stück noch im Programm. Der Intendant ist Fan des Dramatikers, weswegen er „Wheeler“ im Kleinen Haus selbst inszeniert.

Der Mann muss es natürlich versauen

Felix Rech spielt den geschiedenen Loser um die 50, der gerade ein neues Apartment bezieht, nachdem er eine Weile in der Garage seiner Exfrau gelebt hat. Und das, schade, funktioniert schon mal gar nicht. Ob Reese die Rolle jünger besetzt hat, um das verzweifelte Bemühen um Jugendlichkeit zu zeigen? Ganz gleich, Rechs virile Energie (und ein paar Manierismen, wie das dauernde Gefummel im Gesicht) rauben diesem verhinderten Fotografen, der heute Kameras repariert, einiges an Kaputtheit.

Wheeler könnte dennoch dankbar sein. Das befreundete Paar Michael und Margaret (Veit Schubert und Josefin Platt) verkuppelt ihn beim Karaoke mit Jules. Die arbeitet als „Life Coach“ und wird mit umwerfender Verlorenheit von Stephanie Eidt gespielt. Statt das Wunder zu preisen, dass eine attraktive, halbwegs unverkorkste Frau seine ewigen Vorträge über schlechte Musik und das Genie von Stanley Kubrick erträgt, muss der Mann es natürlich versauen. Er beginnt eine Affäre mit der schwangeren Minnie (Trang Le Hong), ein patziges Rockabilly-Girl, das Wheeler bei sich aufgenommen hat, weil sie von ihrem Freund geschlagen wird. Er schickt Jules in die Wüste, lässt sich ein Tattoo mit Minnies Namen stechen und steuert zielstrebig auf das Desaster zu, das er verdient.

Tracy Letts hat schon stärkere Stücke geschrieben

Oliver Reese bringt diese Krisen-Ballade auf einer schönen Drehbühne von Hansjörg Hartung zur Premiere, die mit stückdienlichem Realismus die verschiedenen Schauplätze markiert: Wheelers Apartment mit Couch und Kartons, den Fotoladen, wo er zusammen mit der desillusionierten Anita (Franziska Junge) bei einem perversen Chef arbeitet, oder die Karaoke-Bar, wo einem vor Trostlosigkeit Hören und Singen vergeht. Überhaupt stellt sich Reeses Regie ganz in den Dienst der Geschichte, lässt die Stationen gut geölt ineinander greifen und die Zwischentöne eines echten Dramas anklingen. Wenn zum Beispiel davon die Rede ist, dass Wheelers pubertierender Sohn, zu dem er überhaupt keinen Kontakt hat, sich im Internet an erniedrigten Frauen aufgeilt. Die nächste Generation macht wenig Hoffnung auf Besserung.

Tracy Letts hat schon stärkere Stücke geschrieben, „Wheeler“ schreit nicht unbedingt danach, auf die Bühne zu kommen – schon gar nicht in einer deutschen Fassung, die notgedrungen viele der smarten Punchlines prätentiös klingen lässt. Eine Netflix-Verfilmung mit einem überzeugenden Hauptdarsteller hätte es auch getan.

nächste Vorstellungen: 5., 18. - 20. 12., weitere im Januar 2019

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