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Pommes und Performance. Im Tropez im Sommerbad Humboldthain gibt es Abkühlung und Kunst.

© Kitty Kleist-Heinrich

Sommer in Berlin: Hier gibt es Kultur und Abkühlung zugleich

Draußen über 30 Grad, aber Kirchen, Kinos und Bibliotheken versprechen Abkühlung. Unsere Autoren wissen, wo man dem Sommer entflieht.

In Berlin werden Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke erwartet, der Deutsche Wetterdienst hat eine amtliche Hitzewarnung herausgegeben. Kein Grund, um zu schwitzen: Es gibt sie, die kühlen Refugien in der Großstadt, die zudem Kultur und Unterhaltung versprechen. Eine Auswahl.

Das Tropez im Sommerbad Humboldthain

[Mo - So 10 - 18 Uhr, Programm unter tropeztropez.de.]

Aktivismus im digitalen Zeitalter? Ja klar! Darüber kann man reden, auch bei mehr als 30 Grad im Schatten. Man kann dazu sogar Pommes essen und zum Ausklang eine Arschbombe machen, denn ein großes Schwimmbecken steht gleich nebenan zur Abkühlung bereit. In Berlin gibt es einen Ausstellungsraum, der geradezu auf heiße Temperaturen spezialisiert ist: das Tropez im Sommerbad Humboldthain. Kuratorin Nele Heinevetter betreibt nun schon im dritten Jahr den Imbiss im Sommerbad. Dort bietet sie neben Flutschfinger und Pommes auch Kunst, Performances und Diskussionen an. Warum soll Kunst nur in abgeschotteten Räumen stattfinden, fragte sich die Berlinerin.

Mittlerweile gilt das Tropez als heißer Geheimtipp unter Kunstliebhabern. Und auch Besucher, die mit Malerei und Co. bisher nicht viel anzufangen wussten, können sich hier unkompliziert annähern. Das Programm reicht von Ausstellungen über Tanzperformances und Klangkunst bis zu Lesungen am Pool. Birgit Rieger

Rein ins kühle Krass. Wer die Schlange hinter sich hat, kann im Garten des Berghain tanzen und dabei duschen.
Rein ins kühle Krass. Wer die Schlange hinter sich hat, kann im Garten des Berghain tanzen und dabei duschen.

© imago

Der Berghain-Garten

[Samstag, 27. Juli ab 23.59 Uhr: CSD Clubnacht, mehr unter berghain.de.]

Es nieselt, es spritzt, es platscht. Wenn im Garten des Berghain die Sprinkleranlage über der Tanzfläche angeht, zieht man besser das T-Shirt aus. Also gesetzt den Fall, man hatte überhaupt noch eines an. Die Männer tragen meist nur Haut und Tattoo, auch die Frauen bewegen sich zur elektronischen Musik oben ohne, feiern die Befreiung zu 130 Beats pro Minute. Sonntagnachmittag in Friedrichshain, Proseccokränzchen mit Kraftwerkcharme, Zeltplatzdusche unter freiem Himmel. Unterm Wasser legt man die Kraftanstrengung des Tages ab – das zermürbende Anstehen vor dem Club, die ekstatische Hingabe zur Musik – und tankt neue Energie. Die Haut abkühlen, den Kopf sowieso!

Mal einen scharfen Blick drumherum riskieren. Die geweiteten Pupillen abzählen, die leicht verkrampften Wangenmuskeln – das sind die Hochleistungsraver. Das selige Lächeln auffangen von einem, der gerade eine Pille eingeworfen hat. Das Gesicht erkennen, das man sonst eher im TV sieht. Schauspieler, Künstler, Musiker, Designer, sie alle geben sich den Tracks hin und erheben den Nachmittag zu einem inoffiziellen Hauptstadtkulturtreffen.

Und wie es sich gehört, keine Fotos zu machen, nennt man hier keine Namen. Der Garten gehört zum Schutzraum des Clubs, mit Ruhezonen neben der Bar, um sich auszuruhen, hinzusetzen, und dieses plötzliche Verlangen loszuwerden, zu quatschen. Und dann wieder rauf auf die einzige Tanzfläche der Stadt, auf der man gleichzeitig schwitzt und duscht. Ulf Lippitz

Innere und äußere Einkehr. Im Berliner Dom kann man den Kopf vom hitzigen Alltag abkühlen.
Innere und äußere Einkehr. Im Berliner Dom kann man den Kopf vom hitzigen Alltag abkühlen.

© imago

Der Berliner Dom

[Täglich 11 - 17 Uhr, berlinerdom.de.]

Der Dom! Ja, gut, als Kölner denkt man an die Kathedrale im Rom des Nordens. So heißt Köln in der katholischen Welt. In der Nähe zu Köln gibt es übrigens den Altenberger Dom, einen ökumenischen. Da bin ich konfirmiert worden, aber das nur am Rande. Nein, auch hierzulande gibt es Dome. Den Dom zu Brandenburg, die Kirche der Hohenzollern, wo 1848 das Parlament getagt hat; eine Kathedrale des Politischen, wo der berühmte Albrecht Schönherr Dechant war und heute der in der evangelischen Welt noch berühmtere Wolfgang Huber Dechant ist.

Und es gibt den Berliner Dom - womit wir am Ziel meines kleinen Exkurses wären. Im Herzen der Stadt gelegen, „Am Lustgarten“, wo die Spree gluckert, im Neorenaissancestil gebaut, im Inneren mit Preziosen: Anton von Werner, Schinkel, Stüler … Es gibt viel zu entdecken, immer wieder. Nicht zuletzt: sich selbst.

Wer sich in der Hitze des Alltags und dieser Tage einen kühlen Kopf wünscht, wer zu sich finden will, erfahren will, was auch nur Momente der Kontemplation bedeuten können – der und die soll den Raum der Stille im Dom suchen und aufsuchen. Ab elf und bis 17 Uhr, jeden Tag. Ein intellektueller Binnenwitz: von der Karl-Liebknecht-Straßenseite aus … Es ist, sagen Gelehrte, nicht garantiert, dass kontemplative Reflexion einen privilegierten Zugang zu besonders wichtigen Einsichten bietet. Mit kühlem Kopf besteht aber immerhin eine Chance. Die Seele kann einmal ausatmen. Danach hat einen das hitzige Leben wieder. Stephan-Andreas Casdorff

Unscheinbar. Sieht aus wie ein U-Bahnhof, ist aber auch ein Bunker aus dem Kalten Krieg. Und heute für Touristen begehbar.
Unscheinbar. Sieht aus wie ein U-Bahnhof, ist aber auch ein Bunker aus dem Kalten Krieg. Und heute für Touristen begehbar.

© doris Spiekermann-Klaas

 Berliner Unterwelten

[März - November: Di - So 12, 14 und 16 Uhr, berliner-unterwelten.de.]

Wenn man die Treppen zur U-Bahnstation Pankstraße herunterläuft, befindet man sich mitten in einem Überbleibsel des Kalten Krieges. Nur winzige Zeichen verraten, dass sich hier ein ehemaliger Atomschutzbunker versteckt. Kleine, rote  Aufkleber auf den Lampen, die im Falle eines Stromausfalls leuchten würden. Und auch die unauffällige, dunkelgraue Tür, durch die man in die versteckte Welt, und zu den eigentlichen Schutzräumen, kommt. Die Anlage wurde 1977 errichtet und ist einer der sogenannten „Luxusbunker“.

Hier gibt es Betten und Duschen, Strom und Begrüßungspäckchen mit dem Notwendigsten für das Leben in der Unterwelt: Besteck, ein Stück Seife, zwei Rollen Toilettenpapier und ein Multizweckhandtuch. „Freu dich deines Lebens, denn es ist schon später als du denkst“ steht auf den Suppentopflappen –Galgenhumor ist angebracht, wenn man zwei Wochen in einer unterirdischen Welt verbringen muss. Danach ist der Sauerstoff aufgebraucht.

Heute muss man zum Glück nur an einer 90-minütigen Tour des Bunkers teilnehmen, geleitet von der Gesellschaft für Erforschung und Dokumentation unterirdischer Bauten. An einem über-heißen Sommertag in Berlin wirkt die Lüftungsanlage im Bunker ziemlich verlockend. Der große Vorteil beim Bunkerbesuch heutzutage ist, dass man nicht zusammen mit 3.338 anderen Leuten  eingesperrt ist.

Stattdessen bietet der Bunker einen kühlen Ort mit zusätzlichen Ventilatoren verteilt über die Gänge, deren pistazienfarbige Wände Ruhe ausstrahlen sollen. An einen möglichen Ernstfall mag man lieber gar nicht denken. Vorläufig kann die Schutzanlage an der Pankstraße noch als kühler Sommer-get-away dienen. Nina Branner

Zwischen den Zeilen. In der Amerika Gedenkbibliothek kann man schmökern statt zu schwitzen.
Zwischen den Zeilen. In der Amerika Gedenkbibliothek kann man schmökern statt zu schwitzen.

© dpa

Die Amerika Gedenkbibliothek

[Blücherplatz 1, Kreuzberg, Mo - Fr 10 - 21 Uhr, Sa 10 - 19 Uhr, So (ohne Beratung) 11 - 17 Uhr, zlb.de.]

Berlin, Hallesches Tor, hyperurban. Will heißen: Ganz schön viel Verkehr, oberirdisch, unterirdisch, ebenirdisch. Keine Ahnung, ab wieviel Grad Asphalt schlapp macht, aber die Menschen schmilzen, tropfen wie Eis. Flucht nach vorn, mit Tüten und Taschen in die Amerika Gedenkbibliothek. Was darf man mit reinnehmen? „Waffen, Munition - alles!“ Ein gut gelaunter Security Mann, wo gibt’s denn so was. Der große Saal bringt keine Milderung, aber hinten links, da weht es einem kühl entgegen.

Das kleine Café wirkt wie eine Schleuse, dahinter dehnt sich eine lila Polsterlandschaft aus, auf die man sich plumpsen lässt. Herrliche Aussichten, die große Fensterfront ist, anders als im Lesesaal, nicht mit Vorhängen verdunkelt, die Bäume davor spenden Schatten. Von dieser Seite aus betrachtet, macht sich das Hallesche Tor ganz famos. Drinnen unterhalten sich zwei Spanierinnen flüsternderweise, alle anderen sind vertieft, in den Laptop, das Handy, das Nickerchen. Und etliche tatsächlich ins Papier.

Der Saal entpuppt sich als Printparadies, von der „New York Times“ bis zur orientalischen Literaturzeitschrift, von Magazinen für Cineasten, Linguisten, Feministen, Scheidungseltern, Kunstfreunde und die solidarische Welt bis zur Zeitschrift „High Snobiety“, die ihrem Namen alle Ehre macht. Ach, lieber Sommer, bleib doch noch. Susanne Kippenberger

Film ab. Im Kino ist man vor der Hitze des Tages sicher.
Film ab. Im Kino ist man vor der Hitze des Tages sicher.

© Doris Spiekermann-Klaas

Das Kino Arsenal

[Potsdamer Straße 2, Programm unter arsenal-berlin.de.]

Als Filmkritiker zieht man im Sommer mitleidige Blicke auf sich, wenn man zugibt, abends ins Kino zu gehen statt in den Biergarten. Das Unverständnis ist ganz meinerseits. Warum sollte ich mich nach einem Tag im stickigen Großraumbüro zum „Ausglühen“ auch noch in die abklingende Hitze begeben, zum beißenden Geruch von Bratwurstfett und verschüttetem Bier? Ich ziehe den gepolsterten Kinosessel jederzeit einer klapprigen Holzbank vor. Es gibt keinen besseren Ort als das Kino, um Zuflucht vor der Hitze zu finden - und endlich mal vom Alltagsstress abzuschalten.

Der Potsdamer Platz mag hierfür auf den ersten Blick als denkbar untauglichster Ort erscheinen. Aber zwei Stockwerke unter dem Sony Center befindet sich mit dem Kino Arsenal das schönste Refugium vor den sommerlichen Hitzewellen: vollklimatisiert, das Bier gut und günstig und die Filmprojektion 1A. Außerdem gibt es im Arsenal seit 30 Jahren die schöne Sommerloch-Tradition einer Tarkowski-Reihe. Der russische Meisterregisseur ist das wirkungsvollste Gegenmittel gegen allzu sommerliche Gefühle. Oder auch die tollste Einübung. Ob man sich mit den Kosmonauten und ihren Doppelgängern aus „Solaris“ in den Weiten des Weltalls verliert oder in „Stalker“ mit einem wortkargen Reiseführer durch eine postapokalyptische Landschaft wandert – wenn ich nach drei Stunden in die kühle Abendluft trete, weiß ich die Sommertemperaturen wieder zu schätzen.    Andreas Busche

Auf eine kühle Limo und gekühlte Fotos ins C/O Berlin.
Auf eine kühle Limo und gekühlte Fotos ins C/O Berlin.

© Thilo Rückeis

Museen

Kunst braucht ein heißes Herz und einen kühlen Kopf. Beim Malen, Komponieren, Schreiben, Spielen. Auch beim Betrachten, beim Lesen, Sehen, Hören. Die dinglichen Kunstwerke selbst, Gemälde, Fotos, Skulpturen, Handschriften, sie bedürfen schon aus konservatorischen Gründen konstant moderater Temperaturen. Also ab ins Museum!
Gerade an heißen Tagen werden die Häuser der Berliner Museumsinsel oder der Martin-Gropius-Bau zu Oasen. Das gilt mit angeschlossenem Café auch für das Fotoforum C/O Berlin beim Bahnhof Zoo. Als man einst noch im Alten Postfuhramt in Mitte logierte, weigerten sich wegen der fehlenden Klimatisierung einige amerikanische Sammlungen dorthin auszuleihen. Denn Malerei und Fotografie lieben etwa 22 Grad Celsius, für wertvolle Manuskripte und Drucke sind eher 18 Grad angesagt. So werde uns Licht, im kühlen Schatten der Künste. Peter von Becker

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