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Mit Musik Grenzen überwinden. Daniel Barenboim bei einer Probe mit seinem West-Eastern Divan Orchestra.

© dapd

West-Eastern Divan Orchestra: Daniel Barenboims Friedensakademie

Für sein West-Eastern Divan Orchestra, in dem junge israelische und arabische Jugendliche miteinander musizieren, ist Daniel Barenboim mit Preisen überschüttet worden. Jetzt plant er in Berlin eine Akademie für die Musiker. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat nun 20 Millionen Euro für die Realisierung dieses Traums bewilligt. Insgesamt wird der Etat von Kulturstaatsminister Bernd Neumann um 100 Millionen Euro aufgestockt.

Einem Geburtstagskind vor dem eigentlichen Ehrentag zu gratulieren, soll ja Unglück bringen. Wie ist es aber mit einem vorfristig überreichten Geschenk? Am kommenden Donnerstag, also am 15. November, wird der Siebzigste von Daniel Barenboim gefeiert. Und Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat ihm jetzt schon seinen sehnlichsten Wunsch erfüllt. Mit der stolzen Summe von 20 Millionen Euro nämlich wird der Bund die neu gegründete Barenboim-Said-Akademie in Berlin unterstützen, wenn auch verteilt auf die kommenden vier Jahre. Maßgeblich beteiligt an der Entscheidung des Bundestages, das Geld zu bewilligen, waren der FDP-Politiker Jürgen Koppelin sowie der CDU-Politiker Rüdiger Kruse, also die beiden Kulturberichterstatter des Haushaltsausschusses.

Das 1999 im Rahmen der europäischen Kulturhauptstadt Weimar gegründete West-Eastern Divan Orchestra wird in der ganzen Welt bewundert. Denn in dieser „Musik-Republik“ erarbeiten junge Leute aus Israel und den arabischen Ländern gemeinsam große Werke der Klassik, um sie bei Tourneen aufzuführen, in den Kulturzentren der Welt, aber eben auch in Ramallah. Unzählige Ehrungen und Preise hat Daniel Barenboim für das Projekt schon erhalten, sein Freund und Orchestermitbegründer, der palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said, konnte dagegen die einmalige Erfolgsgeschichte nicht mehr lange miterleben, denn er starb 2003. Mit der Berliner Barenboim-Said-Akademie soll die Arbeit des West-Eastern Divan Orchestra nun auf eine neue Stufe gestellt werden. Als Geschäftsführer konnte mit dem Publizisten und ersten deutschen Kulturstaatsminister Michael Naumann eine gewichtige Persönlichkeit gewonnen werden.

Ziel der Akademie ist es, künftig bis zu 60 Studierenden aus dem arabischen Raum in Berlin Ausbildungsmöglichkeiten zu offerieren. Und zwar direkt an der Arbeitsstätte Daniel Barenboims. Die Stiftung Oper in Berlin hat nämlich der Akademie einen Teil des Intendanzgebäudes der Staatsoper zur Verfügung gestellt. Mit den 20 Millionen Euro vom Bund werden dort Unterrichts- und Übungsräume entstehen, im Dachgeschoss soll Barenboims Musikkindergarten sein Domizil erhalten – und kein Geringerer als Frank O. Gehry entwirft einen multifunktionalen Konzertsaal. Als Freund des Maestro arbeitet der Architekt dabei pro bono, also unentgeltlich, ebenso wie der global gefragte Akustiker Yasuhisa Toyota. In diesem Saal sollen dann künftig auch die Probenphasen des West-Eastern Divan Orchestra stattfinden. Denn in Sevilla, wo man seit 2004 großzügige Unterstützung durch die andalusische Regionalregierung erfahren hatte, sind die Kassen ja bekanntlich klamm.

Das Projekt ist ebenso spektakulär wie löblich – und doch werden Sasha Waltz & Friends, das Grips-Theater und all die notleidenden, chronisch unterfinanzierten Berliner Kulturinstitutionen es nicht ganz so gerne hören, dass Daniel Barenboim schon wieder Millionen für die Realisierung eines privaten Traums erhält. Seine Staatskapelle profitiert seit Gerhard Schröders Zeiten jährlich von einem „Kanzler-Zuschlag“. Für mindestens 240 Millionen Euro wird die Staatsoper generalsaniert, mit fast 250 Euro ist jeder einzelne Sitzplatz im Ausweichquartier Schillertheater an jedem Abend subventioniert. Damit ist die Lindenoper die mit Abstand teuerste Bühne der Stadt. Man vergleicht sie schon mit dem Flughafen.

Und doch muss man bei allem Verständnis für die Verbitterung der lokalen Szene auch bedenken, dass Berlin hier ein Projekt von internationaler Strahlkraft erhält. Außenpolitisch ist es natürlich ein besonderes Signal, wenn die deutsche Hauptstadt Gastgeber für junge Musiker aus den verfeindeten Staaten des Nahen Ostens wird. Und überdies erhält Berlin einen neuen Kammermusiksaal von einem Architektenstar – Michael Naumann nämlich bestätigt auf Anfrage, dass dort alle Künstler herzlich willkommen sein werden, die den Veranstaltungsort mieten wollen, wenn er gerade nicht von der Akademie gebraucht wird.

Der spektakuläre Barenboim-Coup wird möglich durch eine Aufstockung des Bundeskulturetats um insgesamt 100 Millionen Euro, die in der Nacht zum Freitag vom Haushaltsausschuss gebilligt wurde. Damit kann Bernd Neumann im kommenden Jahr nun 1, 28 Milliarden Euro vergeben. Zum achten Mal in Folge ist es dem CDU-Politiker gelungen, seinen Haushaltsposten anzuheben, diesmal sind es satte acht Prozent. Da darf der Staatsminister dann schon mal mit stolzgeschwellter Brust „einen Glückstag für die Kultur in Deutschland“ beschwören: „Die Koalitionsvereinbarung, dass Kulturförderung keine Subvention, sondern eine unverzichtbare Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft ist, wird dadurch ein weiteres Mal auf eindrucksvolle Weise unterstrichen. Mit diesem großartigen Ergebnis wird gleichzeitig das politische Signal an die Bundesländer gegeben, auch in finanziell schwierigen Zeiten bei der Kultur keine Kürzung vorzunehmen.“

Ein Drittel der zusätzlichen Mittel des Staatsministers bleibt in der Hauptstadt hängen. Denn nicht nur die Barenboim- Said-Stiftung erhält Investitionsmittel, sondern auch das Haus der Kulturen der Welt. Dort darf man sich über zehn Millionen Euro für die Sanierung und technische Nachrüstung der Veranstaltungsräume freuen.

Zu den nationalen Zusatzprojekten Bernd Neumanns für 2013 gehört ein neues Denkmalschutz- und Sanierungssonderprogramm, das mit über 30 Millionen Euro ausgestattet wird. Zusammen mit der Kofinanzierung der Bundesländer sowie durch Drittmittel soll damit die „dringend notwendige Sanierung kultureller Infrastrukturen auch in der Fläche“ fortgesetzt werden. Der Deutsche Filmförderfonds, der auch internationale Produktionen ins Land holt, wird um zehn Millionen Euro pro Jahr angehoben, so dass künftig jeweils 70 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Einmalig hebt Neumann die Förderung der Kulturstiftung des Bundes um rund fünf Millionen auf 40 Millionen Euro an. Mit der Summe sollen „zusätzliche Impulse für die zeitgenössische Kunst gesetzt werden“.

Das Programm „Invest Ost“ wird im kommenden Jahr mit vier Millionen Euro fortgeführt. Darüber hinaus steigt die institutionelle Förderung der Klassik-Stiftung Weimar um 750 000 Euro auf insgesamt rund 10 Millionen Euro. In Rostock wiederum beteiligt sich der Bund „maßgeblich“ am Ausbau eines Dokumentationszentrums für die Opfer Deutscher Diktaturen in einer ehemaligen Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit. Mit 500 000 Euro zusätzlich werden Projekte der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur unter anderem auch zum Jahrestag des Aufstandes von 1953 gefördert.

Und last but not least bekommt die 2008 gegründete Initiative Musik eine zusätzliche Million Euro – was einer Steigerung des Zuschusses um über 65 Prozent entspricht. Damit werden landesweit kleinere Spielstätten im Bereich von Rock, Pop und Jazz unterstützt. Hallelujah!

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