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Väterliche Ermahnung. Die Berliner Variation des ter-Borch-Gemäldes.

© smb

Werke von Gerard ter Borch: Techtel und Mechtel in der Gemäldegalerie

Drei Figuren und ein Hund: Gerard ter Borchs „galante Konversationen“ in der Berliner Gemäldegalerie.

Zu einem der berühmtesten Werke der Gemäldegalerie gesellt sich ein Ebenbild aus dem Amsterdamer Rijksmuseum. (bis 29. 2.; Di So 10 – 18 Uhr,  Do bis 20 Uhr) Die beiden Werke des niederländischen Genremeisters Gerard ter Borch gleichen sich fast bis aufs Haar. Oder genauer gesagt: bis in die feinsten Gewandfalten des glänzenden Taftkleides, das die stehende Dame trägt. Blicke gehen hin und her. Der selbstgefällige Galan hat mit lässig übergeschlagenem Bein am Tisch Platz genommen und ergreift gestikulierend das Wort. Er trägt Soldatenkluft, übt sich aber in feineren Manieren. Eine zweite Dame, sittsam gekleidet, blickt tiefer in ihr Weinglas, als der Anstand erlaubt. „Die galante Konversation“, so der Titel, ist eröffnet.

Bekannter allerdings wurde das Berliner Meisterstück des 1617 in Zwolle geborenen Gerard ter Borch als „Väterliche Ermahnung“. So nennt Johann Wolfgang von Goethe das berühmte Gemälde in seinen „Wahlverwandtschaften“. In der kleinen, präzisen Kabinettsausstellung der Gemäldegalerie ist eine alte Textausgabe aufgeschlagen. Darin schildert der Dichter, wie die schöne Protagonistin Luciane und die Ihren in geselliger Runde die Niederländer-Szene als „tableau vivant“ nachstellen: „Einen Fuß über den andern geschlagen, sitzt ein edler ritterlicher Vater und scheint seiner vor ihm stehenden Tochter ins Gewissen zu reden. Diese, eine herrliche Gestalt, im faltenreichen weißen Atlaskleide, wird zwar nur von hinten gesehen, aber ihr ganzes Wesen scheint anzudeuten, dass sie sich zusammennimmt.“

Es gibt 24 Wiederholungen, vier sind in Berlin ausgestellt

Ein Reproduktionsstich von Johann Georg Wille legte dem Dichter diese Neu- und Fehlinterpretation nahe, durch seinen französischen Titel „L’Instruction paternelle“. Und schwupps, war die moralisch zweideutige Verführungsszene des niederländischen Barock dem prüderen Geschmack des 18. Jahrhunderts angepasst. In der Tat hat Gerard ter Borch seine bildliche Ménage à trois außerordentlich subtil komponiert und vieles in der Schwebe gelassen. Indem die weibliche Hauptfigur uns nicht ihr Gesicht zuwendet, sondern nur ihre schöne Rückseite, bleibt ihre Reaktion auf die männlichen Avancen unserer Spekulation überlassen.

Dafür rückt ihr schimmerndes Taftkleid als malerische Hauptsensation des Bildes erst recht in den Blick. Wie sehr schon die Zeitgenossen diese bravourös in Falten gelegte Stofflichkeit und die darauf spielenden Lichtreflexe bewunderten, verrät die Flut von Varianten dieser splendiden Rückenfigur von Gerard ter Borch und seiner Werkstatt.

Die Schöne liest mal in einem Brief, mal sinniert sie vor sich hin

Insgesamt 24 Wiederholungen sind bekannt, vier Beispiele aus internationalen Privatsammlungen und der Dresdener Galerie nun in Berlin ausgestellt. Mal liest die Schöne in einem Brief, den offenbar gerade ein Page überbracht hat. Mal exerziert sie eine „Musikstunde“ mit ihrem behäbigen Korrepetitor, ein Notenheft in der Hand. Mal steht sie, auf dem vermutlich ersten Gemälde der ganzen Reihe, ganz alleine sinnend vor ihrem umso auffälligeren, roten Himmelbett. Immer aber macht ihr silbriges Atlaskleid beste Figur.

Nur auf dem Amsterdamer Gemälde steht rechts ein symbolträchtiger Hund in der häuslichen Szene. Mit ängstlich eingezogenem Schwanz wirft der struppige Vierbeiner dem Betrachter einen vieldeutigen Blick zu, als wittere er die unlauteren Absichten des männlichen Verführers. Auch auf dem Berliner Bild war das Tier ursprünglich zu sehen, wie jüngste Infrarotreflektografien ans Licht brachten. Doch irgendwann wurde die Leinwand rechts abgeschnitten, warum auch immer. So konzentriert sich jetzt alles auf das intime Techtelmechtel der drei Figuren. Und deren schillernde Aspekte, nicht nur im Textilen.

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