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Max Linz nimmt’s mit Humor.

© Mike Wolff

„Weitermachen Sanssouci“ auf der Berlinale: Überleben in der Akademie

Theater und Srewball-Comedy im Berlinale-Forum: Max Linz führt mit „Weitermachen Sanssouci“ den Uni-Betrieb vor. Ein Treffen mit dem Filmemacher.

Von Andreas Busche

Die Gretchenfrage stellt sich gleich zu Beginn des Semesters. „Wie hältst du es mit der Universität?“, will die Professorin von der neuen Lehrbeauftragten wissen. Die Antwort wartet Institutsleiterin Brenda Berger (Sophie Rois) gar nicht erst ab, eine persönliche Haltung ist im modernen Forschungsbetrieb ohnehin nicht gefragt. Die Wissensproduktion hat sich verselbstständigt, das System wird durch Eigenblutdoping gepusht. Neue Erkenntnisse erwartet niemand mehr, weil die Forschungsanträge bereits ihre Ergebnisse vorformulieren müssen, damit sie überhaupt Aussicht auf Förderung haben. Die Erde ähnelt nur unserer Vorstellung von der Erde, und die Universität ist die Simulation einer Bildungsinstitution. Willkommen auf dem Kartoffelacker des Wissens.

Nachdem sich Max Linz in seinem DFFB-Abschlussfilm „Ich will mich nicht künstlich aufregen“ vor fünf Jahren die prekäre Existenz im deutschen Kulturbetrieb vorgenommen hatte, geht es im Nachfolger „Weitermachen Sanssouci“ um das Überleben der „Quantified Self Avantgarde“ in der Akademie. „Eile, Eile, es hängt die Existenz an der Exzellenz“, treibt Berger, die das Institut für Kybernetik an der Berliner Universität leitet, ihren Kollegen Julius Kelp (Philipp Hauß) an, der an einem Forschungsprojekt zur Simulation von Klimaszenarien arbeitet. Leider sieht seine virtuelle Realität aus wie ein Ego-Shooter aus den Neunzigern. „Du bist ja ganz verpixelt!“

Gegen Theaterfeindlichkeit im Kino

Das Treffen mit Max Linz findet in einem türkischen Café am Kottbusser Tor statt. Das prekäre Leben ist ihm vertraut, auch der verschwurbelte Akademie-Jargon, der in „Weitermachen Sanssouci“ dank der hohen Taktung einer Screwball-Comedy an das Diskurstheater René Polleschs erinnert. „Es gibt im Kino momentan eine Theaterfeindlichkeit, als hätte das eine mit dem anderen nichts zu tun“, meint Linz über einer Tasse Kaffee. „Dabei gibt es ästhetische Diskurse zwischen Kunstkritik und Filmphilosophie, in denen Anti-Theatralik ein wichtiges Merkmal ist. Viele Theaterschauspielerinnen und -schauspieler drehen ja Filme, aber dieser Transfer bedeutet nicht, dass Theaterformen, die sich von einer naturalistischen Darstellung gelöst haben, mit ins Kino rübergenommen werden. Ich finde es interessant, das wieder zusammenzubringen.“

Mit dieser Idee steht Linz im deutschen Film momentan ziemlich allein da. Aufmerksamkeit erregte er erstmals mit seiner Webserie „Das Oberhausener Gefühl“ anlässlich des 50. Geburtstags der Kurzfilmtage. Es war der frühe Versuch, historische Formen eines politischen Kinos zu kartografieren und wieder produktiv zu machen. Die meisten Filmstudenten können heute mit Namen wie Chris Marker und Straub-Huillet ja kaum noch was anfangen, kennen allenfalls Alexander Kluge.

Hauptdarstellerin Sarah Ralfs ist für Linz, was Hannelore Hoger einst für Kluge gewesen ist: eine teilnehmende Beobachterin in sich dramatisch verkomplizierenden Gesellschaftszusammenhängen. Phoebe Phaidon, die mit Kelp das Simulationsprojekt leitet, wählt eine Karriere des geringsten Widerstands. Während eine Unternehmensberaterin (Maryam Zaree) die Arbeit des Instituts auf ihre Wirtschaftlichkeit hin evaluiert, treibt der neue Stiftungsprofessor Alfons Abstract-Wege (Bernd Moss) sein „Nudging“-Projekt voran. Es geht um Belohnungssysteme zur Selbstoptimierung. Der Studentenschaft, von Phoebe mit Adorno angefüttert, ist der Einfluss der neoliberalen Ideologie suspekt, sie besetzt die Bibliothek. „Woher kommt nur dieses Engagement?“, wundert sich Berger über den neuen Elan des schlaffen Studentenkörpers. „Von mir sicher nicht“, entgegnet Phoebe antriebslos.

„Bestimmte Redeweisen an der Akademie sind ein dankbarer Gaglieferant“, meint Linz. „So nimmt man dort Bezug auf die Welt. Ich halte das aber für einen Betriebsunfall: Die Sprache deformiert sich, weil man sich ständig verkaufen muss. Ich merke das auch an der Antragsprosa bei der Filmförderung.“

Sophie Rois ist essenziell für den Film

Die Ähnlichkeiten zwischen seinen beiden Filmen liegen auf der Hand. „Auf der phänomenalen Ebene Zeitzeugenschaft schaffen“, nennt Linz seine Methode. Oder vereinfacht gesagt: Linz ist für das deutsche Kino auch so wichtig, weil er keine Berührungsängste innerhalb des hierzulande verblödeten Genres der Komödie hat. Schmerzbefreite Kalauer stehen in „Weitermachen Sanssouci“ gleichberechtigt neben fantastischen visuellen Gags. Der Uni-Konferenzraum, erzählt er, sei dem Konferenzraum der Rand Corporation nachempfunden, die im Kalten Krieg ein wichtiger Akteur im militärisch-industriellen Komplex war.

Absolut essenziell für den Film ist Sophie Rois als das gute, das schlechte und das hässliche Gewissen der Universität. Sie spricht auch das Voice-over. „Dieses spezifisch Rois’sche Weltverhältnis, sagt Linz, „dass die Figur nie identisch mit der Performance ist, erschien mir genau richtig für die Rollendistanz, die das Leitungspersonal innerhalb solcher Institutionen einnehmen muss.“ Die Apokalypse ist bei ihm am Ende nur eine Simulation, aber in gewisser Weise seien Klimaforschung und Unibetrieb ähnlich motiviert, behauptet Linz. Die Gegenwart vermittelt eine Idee von sich selbst in der Zukunft.

15.2., 20 Uhr (Cubix), 17.2., 19.30 Uhr (Colosseum)

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