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Mahlers Thomas Bernhard, weitere Worte, siehe Bernhards Gedanken, erübrigen sich.

© Aus dem besprochenen Band von Nicolas Mahler

Was noch gefehlt hat: Nicolas Mahlers "unkorrekte" Thomas-Bernhard-Biografie

Der Wiener Illustrator Nicolas Mahler erzählt das Leben von Thomas Bernhard mit eigenen Zeichnungen und vielen Zitaten dieses großen alten Meisters.

Das Leben von Thomas Bernhard ist nahezu lückenlos dokumentiert, so viele Bücher wie es über den österreichischen Schriftsteller gibt: von den Erinnerungen seines Immobilienmaklers über eine erste, ziemlich spät erschienene Bernhard-Biografie von Manfred Mittermayer bis hin zum diesjährigen „Rapport“ des Bernhard-Bruders Peter Fabjan.

Zu schweigen von der fünfbändigen Autobiografie mit Büchern wie „Ein Kind“ oder „Die Ursache“ oder dem Buch des Kunsthistorikers Wieland Schmied und seiner Frau, der Fotografin Erika Schmied, über die Häuser Thomas Bernhards.

Hatte die Bernhard-Nachgeburt die Form Österreichs?

Ein Buch jedoch fehlt wirklich noch, und das ist dem vergangenes Jahr leider so früh verstorbenen Suhrkamp-Cheflektor und Bernhard-Werkpfleger Raimund Fellinger aufgefallen: eine unkorrekte Biografie, eine, die die letztgültige Wahrheit dieses großartigen und schwierigen Schriftstellers durch Lücken und Lügen herauszufinden versucht.

Also fragte Fellinger den Illustrator und Comiczeichner Nicolas Mahler, ob er nach seinen Bernhard-Adaptionen von „Alte Meister“ und „Der Weltverbesserer“ nicht auch „Die unkorrekte Biografie“ schreiben und zeichnen könnte, und voilà: Mahler kam dem prompt nach.(Suhrkamp, 125 Seiten, 99 Abb, 16 €.)

Es beginnt, wie es sich gehört, mit der Geburt des kleinen Thomas 1931 im niederländischen Heerlen und Zitaten dazu von der Mutter („Ich hörte ein Klatschen und zugleich ein Stimmchen ...“) und ihres Sohnes („Ich war nicht dabei, aber ich glaub’, sie war völlig normal“), aber auch einem reichlich spekulativen Satz von Mahler: „Die Nachgeburt hat die Form Österreichs.“

"Kleinschopenhauer" beschimpfte er Canetti

In dieser Form geht es weiter: Mahler erzählt, nicht immer korrekt, und montiert dazu überlieferte Kommentare und Beschreibungen aus Bernhards Umfeld oder aus seinen Büchern und Interviews.

Wie immer ein Fest, nicht für Boris, sondern für die Leserinnen und Leser, sind Mahlers minimalistische Figuren und seine dieses Mal nur in Schwarz und Graublau gehaltenen Zeichnungen.

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Mit denen lässt er seiner Fantasie zusätzlich freien Lauf. Etwa wenn er die Entstehung von Bernhards Debütroman „Frost“ ins Wiener Krapfenwaldlbad verlegt; oder er seinen Helden mit dem ihm tatsächlich verhassten Elias Canetti einen Boxkampf austragen lässt: „Schmalkant! Kleinschopenhauer! Affe!“

Nie weiß man bei der Lektüre, was schöner ist: Bernhards oft herrlich irrlichternde Interview-Auskünfte oder Mahlers Zeichnungen (inklusive seiner Lebenserzählung).

Und man muss es auch nicht wissen: Mahler hat ein kleines, reichhaltiges Meisterwerk verfasst, das am Ende, so viel literaturwissenschaftliche Korrektheit muss sein, auch die Fehlerquellen nennt. Dieses Buch über den 1989 verstorbenen Schriftsteller musste unbedingt noch geschrieben werden. Es ist dann, um es entscheidend abgewandelt mit Bernhard zu sagen, letzten Endes alles eben doch nicht „nix“.

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