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So soll das Museum des 20. Jahrhunderts am Kulturforum, geplant vom Architekturbüro Herzog und de Meuron, aussehen.

© picture alliance/Jens Kalaeneo

Was ist los beim Museum der Moderne?: Explodierende Kosten und ein zusätzliches Untergeschoß

Das geplante Museum des 20. Jahrhunderts kommt aus der Kritik nicht heraus.

Das geplante Museum des 20. Jahrhunderts, wahlweise Museum der Moderne genannt, das die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf dem freien Grundstück zwischen Neuer Nationalgalerie und Philharmonie am Kulturforum errichten will, steht unter keinem guten Stern. Und jetzt wird es ernst, denn am 14. November steht die Verabschiedung des Bundeshaushalts und damit die Bewilligung der Baukosten des Museums an.

Die Kosten sind bereits vor dem ersten Spatenstich davongaloppiert. Sie werden mittlerweile auf das Zweieinhalbfache der ursprünglich vom Bundestag bereitgestellten Summe veranschlagt. Im September dieses Jahres wurden 450 Millionen Euro als Endsumme genannt, einschließlich aller vorauszusehenden Kostensteigerungen über die nach heutigen Preisen mit 364 Millionen Euro errechneten Baukosten hinaus.

Nach Meinung von mit dem Berliner Baugeschehen vertrauten Sachkennern wird daraus am Ende das Dreifache der Ausgangssumme: 600 Millionen Euro statt der 200 Millionen, die der Haushaltsausschuss des Bundestages 2014 in einer überraschenden Geste bereitstellte. Man muss inzwischen wohl von einem Danaergeschenk sprechen – und zwar für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sie hat sich, aus ihren ja wirklich quälenden Platznöten heraus, mit der Entscheidung zum Bau des neuen Museums in immer tiefere Abhängigkeiten gegenüber geldgebenden Politikern, planenden Architekten, drängenden Sammlern und ehrgeizigen Kuratoren begeben.

Am Mittwoch hat sich die Stiftung mit einer vierseitigen Erklärung zu Wort gemeldet, in der sie die wiederholten Vorwürfe bezüglich Flächenvergrößerung, Kostensteigerung und Intransparenz zurückweist.

Museum des 20. Jahrhunderts: am Geld wird's nicht scheitern

Eine schlüssige Begründung für die exorbitante Kostensteigerung fehlt allerdings. So heißt es, es sei „richtig, an das Haus höchste Qualitätsansprüche zu stellen“ – ja, was denn sonst? Hat man sie anfangs nicht gestellt? Auch „hohe Anforderungen an die Klimatechnik“ können kein Novum sein.

Und wenn betont wird, der Bebauungsplan mache „eine Verkleinerung des Grundrisses erforderlich“, so war der unumgängliche „größere Abstand zur Sigismundstraße und zur Matthäuskirche“ bereits vor dem Architekturwettbewerb ersichtlich. Nur haben sich die Wettbewerbssieger, das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron, nicht daran gehalten.

Der eigentliche Punkt ist: Weil es sich beim Museum der Moderne um ein öffentliches Vorhaben handelt, noch dazu um eines, das die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) zu ihrem Prestigevorhaben gemacht und entsprechend befördert hat, weiß jeder Beteiligte, dass es am Geld nicht scheitern wird.

Politiker entscheiden, Abgeordnete bewilligen, und der Rechnungshof darf hinterher – folgenlos, versteht sich – die Mehrausgaben bekritteln.

Berliner Museum der Moderne erinnert an die Elbphilharmonie

Vor Jahren nahm das Vorhaben der Hamburger Elphilharmonie genau den Gang, den jetzt auch das Berliner Museumsprojekt geht. Überschaubar angefangen, zwischendurch für unverzichtbar erklärt, dann mit gigantischen Kostensteigerungen beinahe abgewürgt, schließlich durchgezogen – und nach der Eröffnung gefeiert. Das Geld war eh weg. Offenbar erhoffen sich die Zuständigen für das Berliner Museumsvorhaben nachher einen ähnlichen Effekt.

Interessanterweise handelt es sich um dieselben Architekten, die in Berlin zu Siegern des Wettbewerbs gekürt wurden und seither von allen Beteiligten mit Lobpreisungen nur so überhäuft werden.

Das Basler Großbüro Herzog & de Meuron, Teil jener kleinen Schar von signature architects, um die sich Bauherren in aller Welt reißen und entsprechend zahlen, ist bekannt für seine ungemein edlen Entwürfe – aber auch die entsprechend wortgewandte Verkaufe.

Als der Berliner Entwurf von enttäuschten Beobachtern als „Scheune“ bezeichnet wurde, hatten die Architekten – mit Jacques Herzog als ihrem intellektuell brillierenden Vertreter in der Öffentlichkeit – die Schmähung schon vorab ins Positive gewendet: Ihr Entwurf eines discounter-ähnlichen Schuppensmit flach geneigtem Satteldach sei eine Urform, quasi die Urhütte der Architektur.

Begeistert griffen die Jurymitglieder die eloquente Selbstbeschreibung der Architekten auf und gaben sie gewissermaßen als eigenes Urteil weiter. Nicht zuletzt Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hatte sich dem Vernehmen nach für den – anonymen, für Insider aber zu erratenden – Entwurf eingesetzt.

Museum der Moderne: ein weiteres Untergeschoß

Jedenfalls zeigten sich Jury, Museumsdirektor und Staatsministerin MonikaGrütters ungemein stolz darauf, die Basler Weltstars endlich mit einem Berliner Vorhaben betrauen zu können. Allein, zwischen Wettbewerb und Realisierung liegt ein weiter Weg. Die Architekten machten bei zwischenzeitlichen Vorstellungen ihres Planungsstandes nicht den mindesten Hehl daraus, dass sie ihre Wettbewerbseinreichung als unverbindlich erachten und erst nach der Beauftragung ins Konkrete gehen (dass erst einmal ein ganzes Jahr verstrich, in dem die Architekten offenbar andere Aufträge vorrangig bearbeiteten, sei nur am Rande erwähnt).

Dafür gibt es in der Vergangenheit genügend Beispiele; man denke nur an das „Tankstellendach“, mit dem Norman Foster den Reichstags-Wettbewerb gewann, um hinterher die zuvor von ihm geschmähte Kuppel zu entwerfen. Ganz so weit liegen die Planungsphasen bei Herzog und de Meuron nicht auseinander.

Nur nun musste beispielsweise der – im Wettbewerb ausdrücklich geforderte – Abstand zur Matthäikirche, den die Architekten nonchalant missachtet hatten, nachträglich wieder vergrößert werden.

Das aber dient nun als Begründung dafür, den Bau, um die dadurch verringerten Flächen zurückzugewinnen, um ein weiteres Untergeschoss in die Erde zu buddeln – obgleich doch gerade das zuvor als eine Ursünde Berliner Bauens zurückgewiesen worden war.

Dem Museum des 20. Jahrhunderts fehlt ein Konzept

An Ausstellungsfläche sind nunmehr 9.000 Quadratmeter vorgesehen, bei einer sogenannten „Gesamtnutzfläche“ von neuerdings 15 956 Quadratmetern, die die Funktionsräume etwa für Sanitäranlagen enthält; zuvor watren 14700 Quadratmeter veranschlagt. Die Zahlen, betont die Stiftung in ihrer gestrigen Mitteilung, entsprechen den Vorgaben, die bereits der Voruntersuchung möglicher Standorte im Jahr 2012 zugrunde lagen.

Zur Begründung für den Flächenbedarf wird stets auf die Sammlung der Kunst des 20. Jahrhunderts verwiesen, von der nur ein kleiner Teil gezeigt werden könne.

Um dem Vorwurf zu begegnen, es ginge nurmehr um quantitatives Wachstum, ohne dass hinter dem Museumsbau ein inhaltliches Konzept erkennbar werde, wird von Seiten der Museumskuratoren – auch in einem für diese Zeitung geschriebenen Beitrag des Kurators Joachim Jäger – angeführt, es sei in Berlin stets „politisch“ gesammelt worden.

Das ist, gelinde gesagt, Schönfärberei. Denn die eigens betonte Besonderheit der Sammlung, Ost und West in der Kunst zusammenzuführen, verdankt sich keinem gezielten Bemühen, sondern dem unvorhersehbaren Gang der Geschichte, infolgedessen 1989/90 die Teilung Berlins aufgehoben und die beiden Museumsverbände augenblicklich in Ost und West vereint wurden.

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Auch Kritik an Wettbewerbsjury

Zudem wird Ausstellungsfläche benötigt, weil man Privatsammlern wie Erich Marx oder dem Ehepaar Pietzsch versprochen hat, ihre Bestände en bloc en bloc nicht nur zu übernehmen, sondern auch permanent zu zeigen (andere Berliner Sammler , dies sei angefügt, sind wegen solcher Bevorzugung verärgert aus der Stadt fortgegangen).

Zu allem Überfluss fühlte sich Staatsministerin Grütters bemüßigt, anstelle der dazu berufenen Museumsleute zum umschwärmten Gerhard Richter nach Köln zu pilgern und ihm ein Konvolut an Werken gegen die Zusage abzuhandeln, einen eigenen Raum innerhalb des Museums zu reservieren. An dieser Stelle ist es an der Zeit, die Wettbewerbsjury - und überhaupt das hierzulande geheiligte Wettbewerbswesen – in den Blick zu nehmen.

In dem gestrigen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“, der den Finger erneut in die Museumswunde legt, wird Christine Edmaier, die Präsidentin der Berliner Architektenkammer und als solche eine Verfechterin des Wettbewerbswesens, mit den Worte zitiert: „Kostenrahmen und Obergrenze spielen im Wettbewerb oft keine große Rolle.

Die Jury kann die Kosten nicht beziffern, die Architekten auch nicht.“ Oha, denkt der Laie: Gibt es da nicht eine Vorprüfung, die Einreichungen aussortiert, die innerhalb des vorgegebenen Kostenrahmens offensichtlich nicht zu realisieren sind?

Dann aber sagt Edmaier die entscheidenden Sätze: „Es gibt Projekte, die müssen im Kostenrahmen bleiben, weil mehr Geld einfach nicht da ist, und es gibt Projekte, bei denen man erahnt: Wenn sie teurer werden, kommt irgendwoher mehr Geld. So ist es bei Prestigeprojekten, die aus Bundesmitteln bezahlt werden.“

Bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird es oft teuer

Kann die Stiftung niemals genug bekommen? Das ist der mehr und mehr zum Vorwurf sich wandelnde Seufzer, der seit Längerem in der Kulturszene zu hören ist. Was immer die Stiftung an Bauvorhaben anfasst, geht sofort in dreistellige Millionenbeträge.

Gerade erst konnte mit der James-Simon-Galerie, dem Eingangsgebäude zur Museumsinsel, ein Vorhaben abgeschlossen werden, dessen allseits hochgelobte Architektur über die Kosten von immerhin 134 Millionen Euro hinwegtröstet.

Nebenan wird das Pergamonmuseum saniert, dessen erster – erster! – Bauteil bereits 477 Millionen Euro verschlingt und das nach vollendeter Generalsanierung irgendwann Ende der 2020er Jahre – einschließlich Erweiterung nach einem mittlerweile zwanzig Jahre alten Entwurf – wohl an die 900 Millionen Euro gekostet haben dürfte.

Die Sanierung der Staatsbibliothek Unter den Linden – ein Halbmilliardenvorhaben; die dringend notwendige des Alten Museum Schinkels – da wagt sich erst recht niemand an eine Zahl. Dass die Sanierung der Neuen Nationalgalerie Mies van der Rohes, als deren Ergänzung das Museum des 20. Jahrhunderts dienen soll, mit 110 Millionen Euro abgesegnet ist, nimmt man beinahe schon achselzuckend hin.

BBR hat mit dem geplanten Museum nichts zu tun

Ja, der Bauboom. Die Baufirmen, die die Konditionen diktieren können. Oder ihre Leute einfach von der Baustelle abziehen, wenn’s anderswo lukrativere Aufträge gibt. Ja, die fehlenden Fachkräfte für Ausführungsplanung, Projektsteuerung und Bauüberwachung. Es ist ein heilloses Gewirr von Widrigkeiten, die einem geordneten, vor allem finanziell geordneten Baubetrieb entgegenstehen.

Dabei hat übrigens das vielgescholtene Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), das bislang die Vorhaben der Preußen-Stiftung betreut, mit dem geplanten Museum nichts zu tun.

Das BBR wurde auf Betreiben von Grütters ausgebootet und durch den „Landesbetrieb Bundesbau“ von Baden-Württemberg ersetzt, dessen Ruf als Kostenkiller bis in die Bundeshauptstadt gedrungen ist.

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