zum Hauptinhalt
Generalmusikdirektorin von Magdeburg. Anna Skryleva.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wandel in der Klassik: In Sachsen-Anhalt übernehmen Dirigentinnen den Taktstock

Starke Frauenfiguren auf der Bühne und Generaldirektorinnen an der Macht: Die Musiktheater in Sachsen-Anhalt werden zu Vorreitern in Geschlechtergerechtigkeit.

Das klingt doch mal gut: Ausgerechnet jenes Bundesland, das seine Musiktheater besonders stiefmütterlich behandelt, wird zum Vorreiter in Sachen Geschlechtergerechtigkeit. An den vier Bühnen mit Opernangebot in Sachsen-Anhalt werden ab Herbst genauso viele Männer wie Frauen das Sagen haben. Denn sowohl in Halle an der Saale als auch in Magdeburg treten Generalmusikdirektorinnen an. In Dessau steht dem Musikchef des Hauses, Markus L. Frank, mit Elisa Gogou eine 1. Kapellmeisterin zur Seite, lediglich im Nordharzer Städtebundtheater von Halberstadt und Quedlinburg sind die Männer mit Taktstock noch unter sich.

Die 44-jährige Anna Skryleva kommt in Magdeburg an eine Bühne, die schon stark von Frauen geprägt ist. Karen Stone ist dort seit zehn Jahren Intendantin, außerdem gibt es eine Verwaltungsdirektorin, eine Chefdramaturgin und eine Kommunikationschefin. Skryleva, die aus Moskau stammt und unter anderem an der Berliner Universität der Künste studiert hat, wird in ihrer ersten Saison 16 Konzertprogramme dirigieren und drei Opernproduktionen leiten. Zwei davon haben Titelheldinnen, Janaceks „Katja Kabanova“ und Puccinis „Turandot“ nämlich, und in der dritten, Mozarts „La Clemenza di Tito“, treiben starke Frauenfiguren die Handlung voran.

Leider gibt es in Halle derzeit Zoff

Die Französin Ariane Matiakh übernimmt 90 Kilometer südlich mit der Staatskapelle Halle eines der größten Sinfonieorchester des Landes. Hier spielen mehr Musiker als bei den Berliner Philharmonikern, nämlich 132 – weil das Ensemble aus zwei Orchestern fusioniert wurde, die es zu DDR-Zeiten an der Saale gab. Leider gibt es am Theater derzeit Zoff, da sich der Geschäftsführer der Bühne Halle heillos mit den Leitern der Opern- und der Schauspielsparte zerstritten hat. Ausgerechnet bei der Pressekonferenz, auf der Ende Mai die Pläne des Hauses für 2019/20 vorgestellt wurden, erklärte dann auch noch Veit Güssow, der stellvertretende Intendant der Oper, seinen Rücktritt. Zur Begründung gab er eine „voranschreitende Vergiftung des Betriebsklimas“ an.

Die 39-jährige Ariane Matiakh, die in Halle ihren ersten Generalmusikdirektorinnenposten antritt, geht ihren Job äußerst vorsichtig an. Sie wird keine einzige Musiktheaterpremiere leiten, sondern nur ein Kinderballett über „Alice im Wunderland“. Im Konzertbereich dirigiert sie sieben der 14 geplanten Programme.

In Berlin hat immerhin das RSB eine Gastdirigentin ernannt

Elisa Gogou, 1974 in Thessaloniki geboren, ist am Anhaltischen Theater in Dessau bereits seit drei Spielzeiten engagiert. Als 1. Kapellmeisterin kommt sie in der Hierarchie der Opernsparte an zweiter Stelle nach dem Musikchef. In der kommenden Saison steht sie bei zwei Konzerten vor dem Orchester sowie bei einer Produktion, die Charlie Chaplins Film „Lichter der Großstadt“ mit Live-Begleitung präsentiert. Außerdem dirigiert sie Neuinszenierungen von Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ und Rossinis „Der Barbier von Sevilla“.

Aktuell gibt es in Deutschland neben Anna Skryleva und Ariane Matiakh nur noch an zwei anderen Bühnen Generalmusikdirektorinnen, nämlich Joana Mallwitz am Staatstheater Nürnberg (sie war zuvor schon Musikchefin in Erfurt) und Julia Jones an den Wuppertaler Bühnen. In Berlin hat immerhin das Rundfunk-Sinfonieorchester ab der kommenden Spielzeit die 38-jährige amerikanische Maestra Karina Canellakis zur Ersten Gastdirigentin ernannt.

Zur Startseite