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Familienehre. Georg (Jacob Matschenz) und Wanda (Agnieszka Grochowksa).

© Zodiac Pic.

„Wanda, mein Wunder“ im Kino: Der alte Mann, die Pflegerin und die Milchkuh

„Wanda, mein Wunder“ erzählt von der sozialen Kluft in Europa – in seinen besten Momenten herrlich lakonisch. Leider geht die Figurenkonstellation nicht auf.

Die Sache mit der Milchkuh ist schon ziemlich komisch. Da erfindet der alte, nach einem Schlaganfall ans Bett gefesselte Josef Wegmeister-Gloor (André Jung) die Notlüge von heimlichen Extrazahlungen an die polnische Pflegerin Wanda (Agnieszka Grochowksa) – als Josefs Familie bündelweise Franken in Wandas Keller-Kammer entdeckt. Die Angestellte, eine Diebin? Nein, Wandas Bauern-Eltern zuhause in Polen brauchen dringend eine Kuh, so Josef vor dem Familientribunal, deshalb der Bonus. Und Wanda nickt.

Mit der Folge, dass Josefs eher lebensuntüchtiger Sohn, der ein Auge auf Wanda geworfen hat, ihrer Familie tatsächlich eine Kuh zukommen lässt. Dumm nur, dass die in Wahrheit im Danziger Plattenbau wohnt, einschließlich der Kinder der Alleinerziehenden. Und dass der bettlägerige Patriarch in der Villa am Zürichsee eigentlich Wandas nächtliche Dienstleistungen entlohnt hatte: wortlos-routinierter Sex, der eines Tages unerwartete Folgen zeitigt.

[In elf Berliner Kinos]

Die Ausbeutung von Pflege-Migrantinnen, der Dünkel der Wohlhabenden, die soziale Kluft in Europa: In den besten Momenten von „Wanda, mein Wunder“ nähert sich die Schweizer Filmemacherin Bettina Oberli ihrem Sujet mit Lakonie, zu der auch die unaufgeregte Kamera von Judith Kaufmann beiträgt, wenn sie durch die Räumlichkeiten des in die Jahre gekommenen Hauses streift. Und wenn sie dort vor allem Marthe Keller als Josefs Gattin in den Blick nimmt, die das Familienansehen so eisern wie nonchalant verteidigt. Bis die Lebenslügen der Wegmeister-Gloors nicht länger zu leugnen sind.

Der untreue Alte, dieser sture, egoistische Bock. Das Weichei von Sohn Gregor, der die Firma übernehmen soll, aber lieber ausgestopfte Vögel sammelt. Die überkandidelte Tochter, deren Ehe im Eimer ist. Es dauert, bis der Film in Fahrt kommt, aber irgendwann können das allgemeine Wohlbefinden und Wandas Einwilligung in die diversen Pläne zur Familienehrenrettung mit noch so viel Geld nicht mehr erkauft werden. Da helfen höchstens noch Champagner und Gugelhupf.

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Das Problem von „Wanda, mein Wunder“ liegt in der unausgewogenen Figurenkonstellation. Der tüchtigen Wanda wird zwar die Sehnsucht nach ihren Kindern zugestanden. Aber erschöpft ist sie bei aller Plackerei nie, sondern allzeit patent und hübsch anzusehen – als stamme sie aus dem Werbeprospekt einer Vermittlungsagentur. Die Pflegerin bleibt Projektionsfläche; und ihre anreisende polnische Familie reine Kulisse für die tragikomische Katharsis der Wegmeister-Gloors mit weit komplexeren Charakteren. Sei es Jacob Matschenz’ Gregor als begabter Vogelstimmen-Imitator, sei es Minichmayrs Sophie, die deren in Hysterie eingekapselten Schmerz freilegt. Oder Marthe Kellers Familienoberhaupt, die sich von der kühlen Matrone zur impulsiven Matriarchin wandelt.

Die Milchkuh migriert übrigens auch, vom Zürichsee nach Polen und wieder zurück, ganz ohne Arbeitsvertrag. Schöne Pointe.

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