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Tenor Stefan Vinke in der Titelrolle von "Rienzi".

© Andreas Birkigt

Wagner-Festival an der Oper Leipzig: 13 auf einen Streich

Zur Eröffnung von "Wagner 22" sind an der Oper Leipzig die drei Frühwerke "Die Feen", "Das Liebesverbot" und "Rienzi" zu sehen.

Die Idee, sämtliche Musikdramen Richard Wagners nacheinander auf die Bühne zu bringen, ist nicht neu. Schon 1888 setzte die Münchner Hofoper ein solch ambitioniertes Projekt in der musikalischen Einstudierung von Richard Strauss um. Knapp 100 Jahre später, 1983, folgte abermals in München eine weitere Gesamtschau unter dem Dirigenten Wolfgang Sawallisch. In Leipzig, wo der Komponist 1813 geboren wurde, wollte der damalige Opernintendant Gustav Brecher 1933 ein solches Großprojekt realisieren. Aber er konnte es nicht mehr umsetzen, die Nationalsozialisten vertrieben ihn aus seinem Amt.

Das Festival „Wagner 22“, das neben den zehn etablierten Musikdramen des Meisters seine drei vollendeten Frühopern einschließt, die in Bayreuth nicht gespielt werden, soll mithin auch an den vergessenen Theatermann erinnern. Zugleich macht sich Ulf Schirmer nach elf Jahren Intendanz an der Oper Leipzig und 13 Spielzeiten als Generalmusikdirektor mit dem ersten Leipziger Wagner-Marathon ein Abschiedsgeschenk. Ende Juli verlässt er das Haus.

Der Run auf das Mammutprogramm ist überregional sehr groß, die ersten Vorstellungen waren bei Kartenpreisen von bis zu 230 Euro in den teuersten Kategorien bestens besucht. Für die kommenden gibt es nur noch Restkarten, mehr als 400 Opernfans sollen für den ganzen Zyklus Karten erworben haben.

Wie bei "Lohengrin" geht es in den "Feen" um eine verbotene Frage

Das Jugendwerk „Die Feen“, mit dem das Festival eröffnete, schrieb Wagner im Alter von 20 Jahren. Zu seinen Lebzeiten bekam er es nicht zu hören. Mag die Partitur mit all ihren stilistischen Anleihen an Beethoven, Marschner und Carl Maria von Weber etwas unausgegoren wirken, so lassen sich hier und da doch markante Wendungen jener unverkennbaren Handschrift vernehmen, die der Komponist später ausprägte.

Insbesondere an den „Lohengrin“ erinnert das Liebesdrama mit seiner märchenhaften Handlung um den König Arindal, der die Fee Ada nicht danach fragen darf, wer sie sei. Als er die verbotene Frage dennoch stellt, wird er aus der Feenwelt verbannt. Im Gegensatz zu Elsa im „Lohengrin“ erhält er allerdings noch eine zweite Chance, dazu muss er schwerste Prüfungen bestehen, bis die Liebenden endlich vereint sind.

Szene aus „Die Feen“ mit Sejong Chang und Chor.
Szene aus „Die Feen“ mit Sejong Chang und Chor.

© Kirsten Nijhof

Die Inszenierung des ehemaligen Balletttänzers Renaud Doucet besticht mit verwunschenen, teils surrealen Zauberlandschaften und eleganten Brückenschlägen zwischen Mittelalter, Romantik, Biedermeier und Moderne. Umso bitterer, dass beide Sängerprotagonisten sowie der Dirigent kurzfristig erkrankten und insbesondere für König Arindal kein adäquater Einspringer zur Verfügung stand. Als Ada konnte Kirstin Sharpin mit großem Volumen aufwarten, in den Spitzen tönte ihr Sopran jedoch sehr scharf. Matthias Foremny leistete am Pult des Gewandhausorchesters eine solide Arbeit, brachte aber die Partitur nicht zum Funkeln.

Ungewöhnlich hohe Krankheitsfälle verzeichnete das Leipziger Opernhaus auch im „Rienzi“ mit einem Ausfall von 21 Chormitgliedern. Die übrig gebliebenen Mitglieder sangen dafür mit doppelt so hohem Einsatz. In dieser Situation schien sogar die statische, langweilige Inszenierung des vor zwei Jahren verstorbenen Nicolas Joel hilfreich, der ihn weitgehend geschlossen an der Rampe positioniert. Nahezu ohne Personenführung auf fast leerer Bühne inszenierte der Franzose das Drama um Aufstieg und Sturz eines idealisierten Helden, der in Rom eine Republik nach altrömischem Vorbild errichten will.

Der italienische Einfluss ist im "Liebesverbot" unüberhörbar

Mit Stefan Vinke, der seinen kraftstrotzenden Tenor durch alle Lagen sicher führte, ist immerhin der Titelheld festspielwürdig besetzt. In der Hosenrolle des Adriano, der anfänglich zur Rienzi hält, nach dem Tod seines Vaters aber Bürger gegen ihn aufwiegelt, überzeugt Kathrin Göhring mit ihrem lyrischen, bisweilen fragil anmutenden Mezzosopran nur bedingt.

Ein trefflicheres Ensemble präsentiert sich im „Liebesverbot“, unter den drei Frühopern in Leipzig rundum die stärkste Produktion. Für die italienisch inspirierte Musik zeigte der an diesem Abend besonders mitreißend dirigierende Matthias Foremny ein großes Gespür. Der Einfluss Rossinis und Bellinis ist in dieser freien Adaption nach Shakespeares Komödie „Maß für Maß“ um einen deutschen Statthalter in Sizilien, der den Karneval und damit verbunden Liebe und Lebensfreude verbieten will, von einer listigen Nonne aber seiner eigenen Schwächen überführt und im Zuge dessen entmachtet wird, unüberhörbar.

Die zwischen Dschungel und Amtsstube verortete Inszenierung von Aron Stiehl entfacht als witziges, turbulentes Maskenspiel die Spielfreude des vorzüglichen Ensembles.

In den kommenden Tagen werden noch zahlreiche prominente Sängerinnen des Wagnerfachs, darunter Catherine Foster (Isolde), Andreas Schager (Tristan), Klaus Florian Vogt (Lohengrin), Stephan Gould (Siegfried), Michael Volle (Wotan) und René Pape (König Marke) erwartet.

Kirsten Liese

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