zum Hauptinhalt
Der Filmemacher Woody Allen, 83

© Miguel Medina/AFP

Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs: Rowohlt-Verlag gerät wegen Woody-Allen-Autobiografie unter Druck

Autorinnen und Autoren fordern in einem offenen Brief die Verlagsleitung von Rowohlt auf, Allens Buch nicht zu veröffentlichen. Rowohlt will Rechtelage klären.

Auf der Website des Rowohlt Verlags ist das Buch immer noch zur Veröffentlichung am 7. April angekündigt: Woody Allens Autobiografie „Ganz nebenbei“. Darin zeichne Allen, so der Verlag, die Stationen einer Karriere auf der Bühne, vor und hinter der Kamera und als Autor nach“. Und Allen gebe „Auskunft über seine Jugend, über Familie und Freunde wie über die Lieben seines Lebens.“

Ob Rowohlt daran festhält, den Termin auch einhalten kann? Nach Protesten und Arbeitsniederlegungen von Mitarbeitern hat zunächst der amerikanische Verlag Hachette, in dem Allens Autobiografie unter dem Titel „Apropos of nothing“ ebenfalls am 7. April erscheinen sollte, wie auch in Spanien, Frankreich und Italien, die Veröffentlichung gecancelt und die Rechte des Buches an Allen zurückgegeben.

Grund der erfolgreichen Proteste sind die seit 1992 immer wieder erneuerten Vorwürfe von Allens Adoptivtocher Dylan Farrow, er habe sie im Alter von sieben Jahren sexuell missbraucht; bekannt wurde das damals, als sich Woody Allen und seine damalige Frau Mia Farrow trennten und vor Gericht um das Sorgerecht für ihre Kinder stritten.

Rowohlt wird in dem Offenen Brief aufgefordert, auf die Veröffentlichung zu verzichten

Während Allens Stiefsohn Moses Farrow zu seinem Vater hält, der alle Vorwürfe abstreitet und nie rechtskräftig verurteilt wurde, hat sich sein Bruder, der Journalist Ronan Farrow, der den Weinstein-Prozess mit seinen Recherchen ins Rollen brachte, auf die Seite von Dylan geschlagen.

„Wir stehen Ronan Farrow, Dylan Farrow und den opfern sexueller Übergriffe in Solidarität zur Seite“, zitierten US-Medien aus den Mail-Abwesenheitsnotizen der Hachette-Verlagsmitarbeiter.

Mit denen wiederum haben sich gerade eine ganze Reihe von deutschsprachigen Autorinnen und Autoren des Rowohlt Verlags solidarisch erklärt, darunter Sascha Lobo, Margarete Stokowski, Kirsten Fuchs, Lena Gorelik und Kathrin Passig.

In einem offenen Brief an den Sachbuchprogrammleiter Moritz Schuller und den noch amtierenden Verlagsleiter Florian Illies bringen sie ihre Enttäuschung über die Absichten des Hamburger Verlags zum Ausdruck, „Ganz nebenbei“ trotz der Hachette-Absage in einer deutschen Übersetzung veröffentlichen zu wollen, und fordern Illies und Schuller auf, „diesem Beispiel zu folgen.“

Das Buch sollte ohne Prüfung der Fakten erscheinen

Nun könnte man auf den Gedanken kommen, dass Allen in seiner Autobiografie auf die Missbrauchsvorwürfe eingeht, da er ja auch über seine Familie und Freunde und „die Lieben seines Lebens“ schreibt.

Doch hat er das in den vergangenen Jahren in Interviews nie getan, sondern meist von einer „Hexenjagd“ gesprochen, und auch nicht, als er im vergangenen Herbst auf Werbetour für seinen Film „A Rainy Day in New York“ gegangen ist.

Die Rowohlt-Autorinnen und -Autoren argumentieren mit Ronan Farrows Kritik in ihrem Brief, „dass Allens Buch in den USA ohne Prüfung der darin enthaltenden Fakten erscheinen sollte. Nach gängiger Praxis müssen wir annehmen, dass ein ,fact checking’ des Buches auch in Deutschland nicht erfolgen wird.“

Doch stellt sich hier auch die Frage: Wer checkt in einer Autobiografie Fakten? Als „unethisch“ empfinde man dieses Vorgehen, so heißt es dem Brief weiter, als „Mangel an Interesse für die Belange der Opfer sexueller Übergriffe“.

Bei Rowohlt scheint man weiter an der Veröffentlichung interessiert zu sein, hat aber ein anderes Problem: „Wir klären derzeit – wie die anderen europäischen Verlage – die Rechtelage.“

Zur Startseite