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Der Aufstieg des Faschismus. Hitler vor seinen Anhängern, Datum unbekannt.

© imago/United Archives International

„Vorboten“ von Jürgen Heimbach: Wie der Faschismus begann

Jürgen Heimbach Historienkrimi „Vorboten“ erzählt die tragische Geschichte eines Kriegsveteranen. Er spielt im 1919 von französischen Truppen besetzten Rheinland.

Der Krieg ist nie vorbei. „Ich trage ihn immer mit mir rum.“ Sagt einer, der ihn durchgemacht hat und auf Krücken zurückkehrte. Später wird ein anderer den Satz vom nicht enden wollenden Krieg wiederholen und markig feststellen: „Die Revolution, die wir wollen, ist auch ein Krieg.“ Konterrevolution wäre passender, mit seinen Leuten arbeitet dieser Feind der jungen Republik bereits an der Vorbereitung des nächsten Kriegs.

Jürgen Heimbachs Thriller „Vorboten“ spielt 1919 im von französischen Truppen besetzten Rheinland. Wieland Göth kehrt nach Rombelsheim zurück, sein rheinhessisches 500-Seelen-Heimatdorf an der Grenze zur Pfalz. Sieben Jahre war er fort, sieben Jahre, die er vergessen möchte und in denen er vergessen wurde.

Seine Mutter liegt auf dem Friedhof, der Bruder ist ein Krüppel und der verhasste, einst gewalttätige Vater dämmert als Alkoholiker im Endstadium dem Tod entgegen. Die Kindheit, eine „Welt der Schreie und Prügel“, bietet wenig Anlass zur Nostalgie.

Göth könnte ein Wiedergänger von Odysseus sein, ein Mythos, auf den Heimbach mehrfach anspielt. Der Lakoniker wirkt undurchschaubar wie der antike Kriegsheld, der nach seinen Irrfahrten zu Hause zunächst von niemandem erkannt wird.

Man hält ihn für einen Freikorpskämpfer und, weil er aus Berlin kommt, Kapp-Putsch-Teilnehmer. Oder für einen Spion, der für die verhassten Besatzer arbeitet. Die Paria-Rolle in der Dorfgemeinschaft nimmt Göth gerne an. Gekommen ist er, um nach seiner Schwester zu suchen, die ermordet worden sein soll. Die Schuld wird einem ehemaligen russischen Kriegsgefangenen zugeschoben, der bereits steckbrieflich gesucht wird. Aber die Leiche fehlt.

Heimbach genügen einige Signalbegriffe

Heimbach erzählte schon in seinem meisterhaften Historienkrimi „Die Rote Hand“, der einen Ex-Söldner durchs Frankfurt von 1959 schickte, von einem Rückkehrer, der in einer Nachkriegsgesellschaft keinen Halt findet.

Um den Geist einer Zeit zu erfassen, muss der Mainzer Schriftsteller nicht in altertümlichen Wörtern schwelgen, dafür genügen ihm einige markante Signalbegriffe. Das Bucheckerngebräu als Kaffee-Ersatz. Die Gueules cassées im Straßenbild, Schützenkriegsopfer mit weggeschossenem Kiefer. Das Gasthaus „Germania“ , in der sie Göth zwingen wollen, „auf Deutschland“ anzustoßen.

[Jürgen Heimbach: Vorboten. Kriminalroman. Unionsverlag, Zürich 2021. 222 Seiten, 12 €]

„Vorboten“ handelt vom allmählichen Aufstieg des Faschismus. Heimlich verschiebt man Waffenkisten, ein Separatist wird als „Franzosenknecht“ umgebracht. Das Buch ist akribisch recherchiert.

Der spätere Heydrich-Vertreter Werner Best, der sich in der Besatzungszeit radikalisierte, hat einen Gastauftritt. Am Ende, nach der Noir-gemäß blutigen Eskalation, richtet sich der Blick gen München. Dort schart „Der Mann der Zukunft“, Adolf Hitler, erste Anhänger um sich.

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