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Eine Skulptur des Poeten vom Künstler Waldemar Schröder, in Nürtingen, Baden Würtemberg.

© Marijan Murat/dpa

Von neuen Biografien bis Reisefotografie: 250 Jahre Hölderlin - Was das Jubiläum bereithält

Mit dem Geburtstag des großen deutschen Poeten rückt eine ganze Reihe an interessanten Neuveröffentlichungen näher. Die Kolumne Fundstücke.

Es hölderlint gar sehr. Denn am 20. März vor 250 Jahren wurde Johann Christian Friedrich Hölderlin in Lauffen am Neckar geboren. Zwei Jahre später stirbt der Vater, ein Klosterhofverwalter, darauf heiratet die schöne Mutter Johanna Christina einen Freund ihres ersten Mannes, einen Weinhändler und bald Bürgermeister im nahen Nürtingen.

Hölderlin-Land ist so das Schwabenland. Wegen Tübingen sowieso, wo der Jubilar bis 1793 im Stift zusammen mit Hegel und später auch mit Schlegel studierte und dann ab 1807 bis zu seinem Tod 1843 über drei Jahrzehnte bei der Schreinerfamilie Zimmer in der Turmstube verbrachte. Als Dichter, als zeitweise Verrückter, als Sonderling allemal.

250 Jahre Hölderlin bedeutet natürlich auch eine Menge neuer Literatur über den Poeten, der in seinem „Irrsal“ so geheimnisvoll leuchtende Verse schrieb wie die „Hälfte des Lebens“: „Mit gelben Birnen hänget / Und voll mit wilden Rosen / Das Land in den See.“

Das ist der Sommer, mit seinen Schwänen „trunken von Küssen“, aber: „Weh mir, wo nehm ich, wenn / Es Winter ist, die Blumen, und wo / Den Sonnenschein, / Und Schatten der Erde ? /Die Mauern stehn / Sprachlos und kalt, im Winde / Klirren die Fahnen.“

Außer der kenntnisreichen, doch eher uninspirierten H.-Biografie von Rüdiger Safranski oder der kritischen Sicht auf „Hölderlins Geister“ von Karl-Heinz Ott (beide bei Hanser) gibt es auch einige besondere Annäherungen.

Hölderlin etablierte den Wanderer als Figur

Eine schon ältere ist erinnerungswert: Wolfgang Geisthövel „Hölderlins Schwaben“ (Heliopolis Verlag, Tübingen, 1999, 124 Seiten, antiquarisch ab 13,- €). Der in Berlin lebende emeritierte Mediziner und Weltreisende Wolfgang Geisthövel ist mit literarisch-topografischen Spurensuchen hervorgetreten, von Borneo bis Brasilien, von Homers Griechenland bis zu Uwe Johnsons Mecklenburg.

Das frühe, hübsch illustrierte Hölderlin-Bändchen verdankt sich ursprünglich der Fahrt zu einem Diabetiker-Kongress in Tübingen, bei dem es um Auswirkungen im Nervensystem ging. Und Hölderlin war wohl auf seine Weise ein Nervenfall und für Doktor Geisthövel offenbar spannender als alle Fachvorträge.

Hölderlin hat emphatisch die Figur des „Wanderers“ etabliert. Er selbst war ruhelos, wollte als Klosterschüler schon den Kirchenmauern entkommen, später floh er bis Bordeaux, doch zum Ätna („Empedokles“) oder nach Griechenland („Hyperion“) gelangte er nur im Geistesflug.

Geisthövel aber macht, mit Werkzitaten klug untermalt, Visite an den Ausgangsorten. Von Lauffen über Nürtingen, Denkendorf, das Kloster Maulbronn bis Tübingen. Mit aufmerksamen Beobachtungen: so im Schatten des ehrwürdig strengen Klosters Maulbronn (dem auch Hermann Hesse entfloh), Schatten, die dortige NS-Opfer bis 1945 betreffen.

Wege aus der existentiellen Enge

Der Heliopolis Verlag existiert nicht mehr, aber das Buch findet sich noch bei der Kunsthalle Heck im schwäbischen Dusslingen (www. thomasleonheck.de).

Hölderlins Orten weit über Schwaben hinaus ist Barbara Klemm mit ihrer Kamera nachgereist. Die Grande Dame des künstlerischen Fotojournalismus eröffnet an diesem Wochenende das Jubiläumsjahr mit ihrer Ausstellung „Hölderlins Orte“ im Rathaus von Nürtingen (bis 22. 3.), ab April sind die mit Hölderlin-Texten stimmungsvoll korrespondierenden Schwarzweißfotografien dann in Tübingen zu sehen, und soeben ist dazu das Katalogbuch erschienen (Kerber Verlag Bielefeld, 128 Seiten, 24 €).

Wieder ums Reisen, um Auswege aus der irdischen, existenziellen Enge, die Hölderlin empfand, geht es in Luigi Reitanis kleinem Band „Hölderlin übersetzen. Gedanken über einen Dichter auf der Flucht“ (Folio Verlag, Wien 2020, 108 Seiten, 20 Euro).

Es sind acht Essays des in Berlin lebenden italienischen Literaturwissenschaftlers, Übersetzers und Herausgebers einer exzellenten zweibändigen italienischen Hölderlin-Ausgabe (vgl. Tsp vom 22. 9. 19).

Wie Reitani dabei, von einer 1787 vom jungen Hölderlin in Maulbronn beobachteten frühen Luftballonfahrt ausgehend, die Gedankenflüge des Dichters herleitet oder die „klirrenden Fahnen“ im Gedicht analysiert, ist ungemein anregend. Und verführt zur eigenen Reise entlang der poetischen Hölderlinie.

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