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Das Diptychon der Düsseldorfer Malerin Karin Kneffel kommt bei Grisebach unter den Hammer. Schätzpreis 150 000 bis 200 000 Euro.

© Karen Bartsch, Berlin / Grisebach GmbH

Von Albrecht Dürer bis zeitgenössisch: Sommerauktionen bei Grisebach

Pechstein, Beckmann, Kneffel: das Berliner Auktionshaus Grisebach lädt zur Vorbesichtigung seiner Sommerauktionen.

Ertappt! Pierrot setzt den Unschuldsblick auf, versucht sich wegzudrehen, während Harlekin den Gegenspieler fest an der Schulter packt. Eigentlich der Moment der Lacher. Doch Max Pechstein stellte in „Russisches Ballett“ nicht die possierliche Commedia dell’arte in den Vordergrund, sondern ließ die Antipoden wie in einem Schnappschuss einfrieren.

1909 wohnte Pechstein in Berlin einer Sondervorstellung der Ballets Russes bei, die Kunst-Impresario Paul Cassirer exklusiv für seinen Kreis organisiert hatte. „Im Publikum saß, von Gerhart Hauptmann und Max Liebermann angefangen, alles, was schrieb, malte und in Stein hieb. Der Applaus war wie ein Orkan“, erinnerte sich Schauspiel-Legende Tilla Durieux. Auch bei Max Pechstein hinterlässt die Pariser Truppe nachhaltig Eindruck.

„Russisches Ballet“ von Max Pechstein

Gerade war der 27-Jährige von einem längeren Paris- Aufenthalt zurückgekehrt und in der Jahresausstellung der Berliner Secession – wo eigentlich der Impressionismus den Ton angab – gelang ihm der künstlerische Durchbruch mit seinem von Cézanne und Matisse beflügelten Brücke-Expressionismus.

Pechsteins in zahlreichen Museumsausstellungen präsentiertes und seit 1956 in Familienbesitz befindliches Meisterwerk steht mit einem Schätzpreis von zwei bis drei Millionen Euro an der Spitze der Sommerauktionen bei Grisebach. Insgesamt 660 Kunstwerke – von Albrecht Dürer bis Michael Sailstorfer – gehen bei den sechs Auktionen mit einer mittleren Schätzung von 16 Millionen Euro ins Rennen.

Abstraktion von Ernst Wilhelm Nay

Max Beckmanns „Badende mit grüner Kabine und Schiffern in roten Hosen“ am Strand von Zandvoort konnte bei Grisebach im vergangenen Winter für über 2,3 Millionen Euro an das Kunstmuseum Den Haag vermitteln. Nun kommt mit „Grauer Strand“ eine kleinere, aber ebenso hinreißend Strandszene vom nahe Den Haag gelegenen Scheveningen mit rund der Hälfte zum Aufruf. Ein panoramaartiges Seestück, das Beckmann 1928 in hinreißend Graustufungen um den ockergelben Strand anlegt.

Max Beckmanns „Grauer Strand“ von 1928 ist Los 15 bei der Auktion „Ausgewählte Werke“.
Max Beckmanns „Grauer Strand“ von 1928 ist Los 15 bei der Auktion „Ausgewählte Werke“.

© Karen Bartsch, Berlin / Grisebach GmbH

Neben der Klassischen Moderne punkten die „Ausgewählten Werke“ mit einem starken Angebot von Kunst nach 1945. Zwei Farben Blau. 1962 und 1981 malte Hans Hartung den magischen Himmel über der Côte d'Azur – wo er und die norwegische Malerin Anna-Eva Bergman 1973 ihr Haus und ihre Ateliers in Antibes bezogen, die jüngst von der Fondation Hartung-Bergman renoviert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.

Auf monochromem Fonds erhebt sich das abstrakte Spiel der Linien: als locker gefasster Rhythmus von Vertikalen und Horizontalen, als dynamisches Stieben im Sommerlicht (Taxen zwischen 80 000 und 150 000 €).

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„Das offene Nomadische, Ausbreitung, nicht Abgrenzung, gibt Freiheit“, schrieb Ernst Wilhelm Nay in den sechziger Jahren. Eine Maxime von zeitloser Aktualität. 1964, dem Jahr seiner dritten Documenta-Teilnahme, fertigte Nay „Mit grüner Scheibe“ (250 000 bis 350 000 €), eines von drei offerierten Bildern, die seine Abstraktion aus der reinen Farbbewegung feiern – pure Freiheit eben.

Die legte Gordon Matta-Clark nicht nur im Zweidimensionalen frei, sondern mit seinen Schnitten im Raum ebenso in der Architektur und Bildhauerei. Im Kontext von „Office Baroque“ – eines der berühmtesten Cuttings, das der amerikanische Künstler 1977 in Antwerpen realisierte – entstand die Schnittzeichnung „Circle Grid Overlay“ (200 000 bis 250 000 €).

Werke aus dem Colsman-Katalog

Wer hier Werke Emil Nolde vermisst, findet im Sonderkatalog „Sammlung Adalbert & Thilda Colsman“ gleich 24 seiner Druckgrafiken, Aquarelle und Ölgemälde. Herausragend die „Hohe See“ von 1939. In dunkel leuchtendem Kolorit bäumen sich blaue und grüne Flächen vor schwefelgelbem Himmel auf, weiße Tupfer deuten Schaumkronen an. Als drittes Millionen-Los ein weiteres Highlight.

[Grisebach, Fasanenstr. 25, 27 und 73; Vorbesichtigung 24.-31. Mai, Di-Mo 10-18 Uhr, 31. Mai 10-15 Uhr]

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum des Museum Folkwang in Essen bietet der Colsman-Katalog über 60 Werke aus dem Nachlass des Schwagers von Folkwang-Gründer Karl Ernst Osthaus. Colsman war dem Museumsverein über Jahrzehnte verbunden, vor allem aber den Künstler:innen um dieses „Himmelszeichen“ – wie es Freund Nolde nannte.

Einen weiteren Schwerpunkt der Sammlung bildet Christian Rohlfs, dessen „Garten in Soest“ mit schwungvoll flüchtigen Linien lockt. Darüberhinaus ist mit Feininger, Dix und Mataré, mit Else Lasker-Schüler oder Hermann Hesse ein munterer Querschnitt des frühen 20. Jahrhunderts versammelt – eingedenk der Fotografien von Albert Renger-Patsch.

Die höchsten Erwartungen der zeitgenössischen Kunst weckt mit 150 000 bis 200 000 Euro Karin Kneffels Diptychon „(F XXXVIII)“. Pfirsiche, so schön und perfekt wie die Natur sie niemals erschaffen würde. Bei Kneffel bekommt das traditionelle, mit delikat lasierten Ölschichten gemalte Stillleben etwas Unheimliches. Tief unter den überdimensionierten Früchten wirkt die winzige Landschaft im über dreieinhalb Meter breiten Pop Art-Format wie eine ferne Erinnerung an Natur.

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