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Zögernd. Nur langsam begegneten sich die die Anglervereine aus Ost und West.

© picture alliance/Danny Lawson/PA Wire/dpa

Vom Militär bis zum Anglerverein: Ost und West vereinten sich sehr schnell – oder beinahe gar nicht

Angler, Künstler, Militärs: Die Vereinigungen nach der Wende gestalteten sich sehr unterschiedlich. In den meisten Bereichen zu Ungunsten des Ostens.

Das geeinte Deutschland war eine Sturzgeburt. Am 3. Oktober 1990, kaum ein Jahr nachdem ein Halbsatz Günter Schabowskis die Mauer überwunden hatte, war die DDR Geschichte. Der Deutsche, ob nun Saarländer oder Sachse, lebte fortan als Bundesbürger. Gewendet war die Republik damit noch lange nicht.

Die Sprinter der neuen Zeit waren die mit dem schwersten Gerät. Mit der Vereinigung löste sich die Nationale Volksarmee in der Bundeswehr auf. 90 000 Soldaten dienten nun dem ehemaligen Klassenfeind im neuen Bundeswehrkommando Ost. Pfarrer Rainer Eppelmann, der letzte Verteidigungsminister der DDR, hatte seinen Soldaten noch 1990 versprochen, es werde auch in Zukunft zwei deutsche Armeen geben.

Die neuen Herren verpassten den Ex-Sozialisten eine kräftige Schlankheitskur. Die Truppenstärke schrumpfte auf 50 000 Mann und der größte Teil der Bestände, ob Kampfflugzeug, Tornister oder Gulaschkanone, wurde verkauft oder weggegeben. Von der NVA blieb (fast) nichts mehr übrig.

Die Schachbretter des Landes vereinten sich im ehemals westdeutschen Deutschen Schachbund, das professionelle Fußballspiel organisierte nun auch im Osten die Deutsche Fußballliga. Gemein war diesen Rapidvereinigungen, dass sie keine Vereinigungen waren. Bundeswehr, Schachbund und Fußball schluckten ihre östlichen Konterparts, häufig zu Ungunsten der letzteren.

Die Männer und Frauen von Kunst und Muse hatten es weniger eilig. Zwar benannte sich die Akademie der Künste der DDR zur Akademie der Künste zu Berlin um. Inwiefern und ob man sich mit dem westlichen Konkurrenzprodukt, der Akademie der Künste in Berlin, zusammentun sollte, war wegen politischer und formeller Fragen hoch umstritten.

In den folgenden Jahren lieferten sich die Künstler eine feurige Debatte, in der es schnell um das Wohl und Wehe der Wiedervereinigungen auch jenseits der Akademien ging. 1993 gelang es aber doch. Unter Führung der beiden Präsidenten Walter Jens und Heiner Müller schlossen die Akademien die „Vernunftehe“, wie Müller die Verbindung nannte.

Die Dichter, Essayisten und Novellisten der beiden deutschen PEN-Zentren brauchten ganze acht Jahre, bis sie sich soweit zusammengerauft hatten, dass sich das neue, gesamtdeutsche PEN-Zentrum erstmals in Dresden zusammenfinden konnte.

Schlimmer noch als Streit ist Schweigen. So lässt sich wohl der durchaus beeindruckende Wende-Schneckenlauf einer Interessensgruppe erklären, der aber auch sonst kein übermäßiger Hang zur Schnelligkeit zugeschrieben wird. 2009, ganze 20 Jahre nach dem Mauerfall, begannen die beiden großen Anglervereine Deutschlands erstmals Gespräche über einen Zusammenschluss. Es folgte, wie so oft, ein großes Hin und Her, 2011 drohten die Verhandlungen gar zu platzen.

Die Ost-Angler fühlten sich gegängelt von ihren westdeutschen Kollegen, die wiederum sahen ihre strengen Schutzvorschriften für Aal bis Zander in Gefahr. Doch nach einer Aussetzung verhandelten die Verbände weiter. Und so konnte man 2013 auch bei deutschen Flossenfreunden endlich sagen: Die Wende ist im Kescher. Petri Heil!

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