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Himmelhoch. Nur positiv sind die Vibrations gerade nicht, die von der Volksbühne ausgehen.

© Paul Zinken/dpa

Volksbühne: Netzwut gegen Dercon: Berlin braucht Feindbilder wie die Luft zum Atmen

Die Volksbühne hat Theaterferien, der Kampf um das Haus aber nicht. Jetzt macht sich online die Wut gegen den neuen Intendanten Chris Dercon Luft.

Wie kryptisch sind eigentlich die Plakate des neuen Berliner Ensembles? Das HAU wirbt mit Tieren, das Deutsche Theater klebt die Stadt zu mit seltsamen Collagen, und überhaupt sehen Schauspieler in den Kampagnen hauptstädtischer Ensembles übernächtigt und wie Geschwister der berühmten Wasserleiche Ophelia aus. Aber schaut da jemand hin? Das hängt da nur so an den Bauzäunen. Wird wahrgenommen oder nicht.

Auch die Online-Auftritte der Berliner Bühnen waren bis jetzt einfach das, was sie sein sollen: Informationsquelle. Muss man haben. Geht nicht mehr ohne. Das Herz all dieser überwiegend staatlich geförderten Unternehmungen schlägt analog. Es sollte nur zählen, was auf der Bühne passiert. Mit Menschen aus Fleisch und Blut, jetzt. Mag die Technologie auch die Formen und die Wahrnehmung der Performance verändert haben (allein schon das Wort Performance!) – es geht im Theater um ein unmittelbares, veränderliches Erleben, um Künstler, die man bei der Arbeit beobachtet, um das Spiel, das sich zur Schau stellt.

Wirklich? Da verändert sich gerade etwas. Der Kampf um die Volksbühne macht keine Ferien. Castorf ist gegangen, Dercon ist da. Und was immer er macht – es ist Mist. Unwürdig, oberflächlich, unpassend. Kaum dass die Dercon-Leute zum 1. August die Social-Media-Abspielstätten des Hauses übernommen haben, bricht ein neuer Shitstorm los.

Auf der Homepage steht das übliche Kuratorenzeug

Da steht nun das inzwischen leider theaterübliche Kuratorenzeug, aber wo steht das nicht? Besonders verquast ist es meist beim Tanz. Wer hätte sich je an den rhetorischen Stahlgewittern der alten Volksbühne gestört und an der altdeutschen Frakturschrift? Das war der richtige Sound, auch wenn man kein Wort verstanden hat und Kopfschmerzen bekam. Die Ankündigungen der neuen Truppe am Rosa-Luxemburg-Platz lesen sich nun in der Tat recht flau und allgemein. Wer aber übersetzt einmal die Texte der Berliner Festspiele zur Immersion? Aussendungen nicht nur der Freien Szene strotzen vor Antragsprosa.

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Da Dercon noch nicht angefangen hat an der Volksbühne und es unter diesen Umständen auch gar nicht ordentlich kann, sehen wir neue Theaterformen: Sie nennen sich Pressekonferenz und Facebook-Auftritt. Die Software und das Drumherum werden wichtiger als die Sache selbst. Kritisiert wird vorher, wer braucht noch Premieren? Wozu Spielpläne? Das wird online abgestimmt. Hass, Trauer, Spott und Selbstgerechtigkeit feiern Orgien. Aber auch berechtigte Sorge um ein großes, traditionsreiches Theater wird ausgedrückt. Eine massive Boulevardisierung ist im Gang.

Chris Dercon macht einiges falsch und hat noch mehr Pech: An ihm allein wird ein allgemeines Unbehagen am unverbindlichen Kulturbetrieb ausgelassen. Hinzu kommt eine Berliner Spezialität. Ost oder West: Man braucht hier Feindbilder wie die Luft zum Atmen.

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