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„Die Boten III“

© Galerie Poll

Volker Stelzmann in der Galerie Poll: Maskenmeister

Die Galerie Poll feiert den Berliner Maler Volker Stelzmann

Ein wenig grimmig schaut er auf einem Selbstporträt, dieser Meister, der seine Werke wie einst die Monogrammisten nur mit den Initialen seines Namens signiert: V. S. Doch wache Augen blicken einen durch die Brille an. Volker Stelzmann, bekannt durch seine veristischen Szenen aus dem Großstadtmilieu, widmet die Galerie Poll schon jetzt eine Hommage zum 80. Geburtstag im November. Sie zeigt, neben Tafelbildern der letzten drei Jahre, Radierungen aus der Zeit von 1972 bis 2004. Fast zwei Jahrzehnte hatte der gebürtige Dresdener eine Professur an der Universität der Künste Berlin, 2006 wurde er emeritiert.

Ein Nachfahre der Neuen Sachlichkeit, von Otto Dix, der die scharfe Beobachtung der Realität mit der Orientierung an den alten Meistern verbindet. Seine Protagonisten entdeckt Stelzmann in Bussen und Bahnen, auf Straßen und Plätzen, zuerst in Leipzig, dann in seiner Wahlheimat Berlin. Er tauschte sie 1986 gegen die DDR, deren Nationalpreis er drei Jahre zuvor erhielt.

Wortlos im eigenen Leben unterwegs

Kühler Abglanz der Wirklichkeit in matten, dann wieder giftigen Tönen, das Ganze in altmeisterlicher Lasurtechnik auf Holz. Nachtschwärmer und Frühaufsteher, Büromenschen, Bauarbeiter, Punks und Penner, Studenten und Beauties jeder Couleur bevölkern die Bühne, theaterhaft beleuchtet und kunstvoll ineinander verschachtelt wie bei den italienischen Manieristen, alle bleichgesichtig und wortlos im eigenen Leben unterwegs. Ihr Outfit macht sie zu Typen mit Individualität: der Minirock, das Ohrgeklimper, die roten Münder, der Irokese, die Schirmmütze – wie in dem Gemälde „Was tun“, das der Ausstellung den Titel gab (42 000 Euro). Mit „Geher“ und „Spalt“ bildet es eine Trias, vergleichbar einem Triptychon, jener biblischen Bildern traditionell vorbehaltenen Präsentationsform, die Stelzmann oft für sein weltliches Panoptikum wählt. In ihm spiegeln sich Tod und Auferstehung, Karneval und Großstadtdschungel, gesellschaftlich-politische Probleme. So wie die im Park schlafenden Obdachlosen auf dem Gemälde „Biwak“ (36 000 Euro).

Mit kraftvollem, fast gewaltsamem Strich

Ohnehin durchziehen christliche Motive Stelzmanns Kunst: 2018 entstanden die „Boten“, seine eindringliche Version der zwölf Apostel, verteilt auf acht Tafeln (komplett 140 000, einzeln 21 000 Euro). Keine Heiligen, sondern moderne Wanderer in Alltagskluft. Die üblichen Attribute ersetzt er durch Messer, Spazierstock oder Kugelschreiber. Ungeschönte Menschendarstellung wie bei den Altdeutschen Hans Baldung Grien und Dürer.

Ein kraftvoller, fast gewaltsamer Strich und ein dramatisches Helldunkel beherrschen die Radierungen, in denen Stelzmann virtuos mit den technischen Werkzeugen operiert und Sujets durchspielt, aber auch die alten Meister adaptiert: Pontormo, Rembrandt, Goya oder auf einem Blatt El Greco (1200 Euro). Die „Demonstrationen“ als Protest der wilden Jugend im Osten werden 1973 zum Schlachtfeld auf der Müllhalde, an deren Rand sich ein poppiges Paar umarmt (900 Euro). Immer wieder taucht auch das eigene Ego auf, im „Selbst mit Masken“ von 2019 gleich viermal unter venezianischen Masken. Shakespeares ganze Welt als Bühne und wir alle nur die Spieler.
Galerie Poll, Gipsstr. 3; 28. 4.–13. 6., Di–Sa 12–18 Uhr, jeweils fünf Besucher

Angelika Leitzke

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