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Fulminant. Elio Germano spielt den Maler Antonio Ligabue.

© Chico de Luigi

„Volevo nascondermi“ im Berlinale-Wettbewerb: Ein Maler, der die Leinwand angreift

Ein großes, ruhiges Künstlerporträt: Giorgio Dirittis Wettbewerbsbeitrag „Volevo nascondermi“ über den italienischen Maler Antonio Ligabue.

Das ist Elio Germanos Film. Zuerst ist er nichts als ein Auge, das aus einem ihn umhüllenden Sack schaut, immer nur kurz, denn bei der geringsten Irritation, wird die Luke wieder geschlossen. Im Sack ist Toni in Sicherheit. Es ist das Prinzip Urhöhle, es ist auch das Prinzip Kindheit: Augen zu, und die Welt ist weg, nur ich bin noch da. Sicherheit. Rückzug in sich selbst.

Wenn irgendwo, dann ist nur dort Platz für ihn. Ein Lehrer sagt es dem kaum lernfähigen, verhaltensgestörten Schüler: „Du bist ein Fehler. Du verdienst es nicht zu existieren.“

Es geschieht gewiss nicht oft, dass ein solches Versehen unter den Menschen wie Toni zu internationalem Ruhm gelangt. Dass man ihn einmal weit über die Grenzen Italiens kennen wird: den Maler Antonio Ligabue. Elio Germano, 1980 in Rom geboren, verwandelt sich in dieses Stiefkind der Natur und der Menschen mit einer Unbedingtheit und Rückhaltlosigkeit, die erstaunen. Mit besonderem Talent für geriatrische Eigentümlichkeiten. Natürlich, das ist Mimesis, Anverwandlung, es ist der Urimpuls der Kunst, im Schauspiel wie in der Malerei.

Elio Germano brüllt und faucht

Antonio Ligabue selbst verwandelte sich vorzugsweise in Tiger und Löwen, obwohl er auch ein große Begabung für die Stubenfliege besaß, immer mit starkem sicheren pastosen Pinselstrich, zart noch in der Grobheit. Die Surrealisten waren begeistert. Da war einer von ihnen. Einer von ihnen?

Gewöhnlich stehen Maler wohl eher stumm vor ihrer Staffelei, selbst wenn sie Raubtiere im Sprung malen, aber Elio Germano greift sie an, er brüllt und faucht, wenn er seine Tiger und Löwen schafft. Regisseur Giorgio Diritti und Germanis Talent widerstehen in „Volevo Nascondermi“ der Versuchung, um das Fremde, das Irritierende dieses Menschen zu betrügen. Nachträgliche „Inklusion“ auf der Leinwand findet in diesem selbst- wie schutzlosen Film nicht statt. Das macht seine Schönheit und Stärke aus.

[22.2., 10.30 Uhr (HdBF), 14.30 Uhr (FSP), 21.30 Uhr (City Kino Wedding); 25.2., 21.15 Uhr (FSP); 1.3., 9.30 Uhr (Zoo-Palast)]

Ligabue wurde im Dezember 1899 in Zürich geboren, als Kind eines aus Italien eingewanderten Hausmädchens, das früh starb. Vater unbekannt. Seine Odyssee durch Waisenhäuser und Pflegefamilien beginnt. Eine der schönsten Szenen des Films zeigt eine verschneite Schweizer Winterlandschaft, durch die sich ein Auto den Weg bahnt, irgendeinem noch kälteren Pol entgegen, das spürt man: der italienischen Grenze. Die ordnungsliebende Schweiz gibt den menschlichen Störfall an die Heimat seiner Eltern zurück.

Heimgesucht von der Grausamkeit der Menschen

Die Schweizer sind ohnehin nicht sicher, ob Italiener erziehbar sind. Antonio aber spricht damals nur Schweizerdeutsch. Über Jahre wird er nun allein am Ufer des Pos leben, ein Eremit, immer wieder heimgesucht von der Häme und Grausamkeit der Menschen. Doch er erschafft sich in seiner Einsamkeit wie einst Gott selbst Gefährten: Figuren aus Lehm. Seine schwierige Rückkehr zu den Menschen beginnt, als ein Maler aus der Umgebung ihn findet.

Direttis Filmbilder sind groß und ruhig, manchmal wirken sie wie Standbilder, oft von berückender Symmetrie und Schönheit. Sie zeigen eine Welt, an die man sich anlehnen könnte: nur Antonio nicht.

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