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Vladimir Jurowski, 2016.

© Jörg Carstensen/dpa

Vladimir Jurowski dirigiert das RSB: Wem das Glöckchen schlägt

Vladimir Jurowski und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin spielen eine Hommage an Schostakowitsch. Doch zum überwältigenden Erlebnis fehlt der letzte Schliff.

Ein Konzertprogramm zu komponieren, ist eine Kunst, die man oft erst dann zu schätzen weiß, wenn man sie vermisst. Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) experimentiert unter seinem Chefdirigenten Vladimir Jurowski mit Varianten der gezielten dramaturgischen Überforderung. Das ist gut und richtig, weil sich darin Ernsthaftigkeit und Wertschätzung für Publikum und Musik widerspiegeln. Es liegt aber auch ein Wagnis darin sowie die Gefahr, dass im Laufe eines Konzertabends selbst gewichtige Werke an den Rand rutschen.

Schumanns Klavierkonzert ist das jetzt zugestoßen. Eingeklemmt zwischen Jelena Firssowas Hommage an Schostakowitsch und dessen letzter Symphonie will dieses sprühend poetische Werk partout keine Magie entfalten. Dazu hätte es angesichts der dramaturgischen Umklammerung auch eines beherzt eigensinnigen Ausbruchsversuchs bedurft. Allein die Chemie zwischen Jurowski und seinem Solisten gibt das nicht her. Seong-Jin Cho debütierte 2011 mit dem RSB in Seoul, inzwischen lebt der 27-jährige Pianist in Berlin und bringt eine Menge junger koreanischer Fans mit in die Philharmonie. Mit Schumann aber weiß Seong-Jin Cho wenig anzufangen, sein Anschlag kennt keine lyrischen Höhenflüge, keinen weiten Atem. Alles bleibt fest und ohne Trost in die Tastatur gedrückt, streckenweise klingt das wie ein verunglückter Brahms.

Vladimir Jurowski ist die Unzufriedenheit anzumerken und auch etwas von der Last, jeden seiner Auftritte beim RSB zu substanziellem Glanz zu führen. Vielleicht ging ihm auch durch den Kopf, wie viel mehr Probenzeit er ohne den Schumann-Exkurs für den eigentlichen Kern des Programms gehabt hätte. Jelena Firssowas „Der Garten der Träume“ für großes Orchester legt eine subjektive, klangsinnliche Spur zu Schostakowitsch – und ganz besonders zu seinem symphonischen Abschied von der Welt. Während Firssowa am Ende mit Celestaklang eine Geborgenheit in der russischen Mystik zumindest im Traum für möglich hält, beginnt Schostakowitschs 15. Symphonie mit einem Glöckchen, das existenzielle Ungemütlichkeit und Todesnähe heraufbeschwört. Beide Werke ohne Pause direkt nacheinander gespielt, wäre ebenso schlüssig wie absolut genug Stoff gewesen. Denn Jurowski will nicht weniger zeigen, als dass es sich bei Schostakowitschs rätselhafter 15. um ein Schlüsselwerk handelt. Zum ganz und gar überwältigen Erlebnis fehlt es diesmal jedoch am letzten, bezwingenden Schliff.

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