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Braucht keine Inszenierung. Der Dirigent Vladimir Ashkenazy.

© Keith Saunders

Vladimir Ashkenazy dirigiert das DSO: Wir brauchen keine Helden am Dirigentenpult

Der 82 Jahre alte Dirigent Vladimir Ashkenazy erzeugt noch immer mit unprätentiöser Aufgekratztheit Wirkung. Dabei wird dem Orchester Spielraum gelassen.

Dirigenten, so hört man immer wieder, seien maßlos überbewertet. Privilegien und Leistung stünden in einem geradezu absurden Missverhältnis. Besonders herb urteilen nicht etwa die Kritiker, sondern jene, die womöglich schon Jahrzehnte im Orchester selbst spielen.

Sie trauern nur wenigen Dirigenten hinterher, der Schmerz um den Verlust von Mariss Jansons darf als singuläre Regung gelten. Niemand spricht über seine Schlagtechnik, sondern von einer besonderen Sensibilität, die in die Tiefenschichten der Musik vorzudringen vermochte. Menschlichkeit als Schlüssel, Kunst als Mittler.

Vladimir Ashkenazys Wirkung auf Musizierende und Publikum lebt von seiner unprätentiösen Aufgekratztheit, die dieser kleine, unglaubliche 82 Jahre alte Dirigent noch immer mit aufs Podium bringt. Vor 20 Jahren endete seine Zeit als Chef des Deutschen Symphonie- Orchesters. Nur wenige aktuelle Mitglieder haben ihn damals noch erlebt, wissen um seine rudimentären Fähigkeiten am Taktstock.

Die Schultern stets hochgezogen, scheint es, als wolle der zunächst als Pianist gefeierte Ashkenazy sich selbst um jede Virtuosität am Pult bringen, jedes bloß elegant aussehende Taktieren konsequent unterbinden.

Der Jubel kann nicht echt sein

Für das DSO bedeutet das, zugleich das Herz zu öffnen und sicher durch die Partitur zu reisen. Dieser Balanceakt erreicht bei Max Regers „Fuge über ein Thema von Beethoven“ noch nicht alle Verästelungen der Partitur.

Mit dem jungen Pianisten Behzod Abduraimov kommt es dann in Rachmaninoffs „Rhapsodie über ein Thema von Paganini“ zu einer einleuchtenden Arbeitsteilung. Während der Solist im letzten großen Showstück des Komponisten für das quecksilbrige Leuchten sorgt, rücken Ashkenazy und das DSO die Klangkulissen, sodass sich ein bewegendes Lebenspanorama öffnet, das zur Würze gar keinen Teufelspakt mehr braucht.

Diesen Weg setzen das Orchester und sein Dirigent mit Schostakowitschs fünfter Symphonie konsequent fort. Man kann in ihr Kälte und existenzielle Verlorenheit heraushören, bis es schier nicht mehr auszuhalten ist.

Doch Ashkenazys warme Kunst braucht gar keine Inszenierung des absoluten Kulturbruchs, um zu vermitteln, dass der Jubel am Ende nicht echt sein kann. Das DSO entwickelt ein starkes Maß an Eigenverantwortung in diesem Schostakowitsch. Wir brauchen keine Helden. Auch nicht am Dirigentenpult.

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