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Protestfarbe: Die Grafiker verwenden online einen "green screen" als Wiedererkennungsmerkmal.

© Tsp

Virtueller Protest: Ein Arbeitslosen-Oscar für "Life of Pi"

"Life of Pi" gewann den Oscar für die besten visuellen Effekte - dabei sitzen die Grafiker auf der Straße. Bei der Verleihung wurde ihr Protest unter den Roten Teppich gekehrt. Nun organisiert sich eine ganze empörte Branche im Netz - mit giftgrünem Anstrich.

Dieser Oscar war mehr als berechtigt: Bei der Preisverleihung am Sonntag erhielt der Ang-Lee-Film "Life of Pi" die Auszeichnung für die beeindruckendsten visuellen Effekte. Das Team, das hinter den Effekten steht, wird nun zum Symbol einer frustrierten Branche.

Im Film "Life of Pi" befinden sich der Junge Pi und ein bengalischer Tiger mehrere Wochen in einem Rettungsboot auf hoher See. Auch ein Zebra, ein Orang Utan und eine Hyäne sind mit an Bord. Gedreht wurde allerdings in einem Wassertank und auch nur mit Darsteller Suraj Sharma als Pi - die Tiere kamen komplett aus dem Rechner. "Das meiste, was sie sehen, ist unecht", verkündete Bill Westenhofer stolz auf der Oscar-Verleihung. Er zeichnete mit dem Team der Effektschmiede "Rhythm & Hues Studios" für den digitalen Zoo verantwortlich.

Doch "Rhythm & Hues" gibt es nicht mehr. Vergangene Woche meldete das Unternehmen Insolvenz an; viele der Grafiker, die an "Life of Pi" mitarbeiteten wurden bereits entlassen. Laut Branchenberichten haben die Effekte-Spezialisten zum Teil ohne Lohn an der Fertigstellung der virtuellen Tiere gearbeitet. Auch für Filme wie "Snow White and the Huntsman" oder "The Hunger Games" arbeitete die Schmiede zuvor.

Film ohne Effekte: Die Schmiede "Rhythm & Hues" zeigt, wie ihr Film ohne den virtuellen Tiger aussehen würde.
Film ohne Effekte: Die Schmiede "Rhythm & Hues" zeigt, wie ihr Film ohne den virtuellen Tiger aussehen würde.

© Tsp

Im Netz hat nun eine Solidaritätswelle von Grafikdesignern und Effekte-Spezialisten gestartet. Auf der Facebook-Plattform "VFX Solidarity International" tauschen sich wütende Kollegen über die schlechte Bezahlung in Hollywood aus. Sie stellen Fotos ein, wie ein Film ohne Effekte aussähe und färben ihre Profilbilder giftgrün - in Anlehnung an den "green screen" im Studio, der erst mit Computereffekten zum Leben erwacht. Trotz Milliardenumsätzen von Blockbustern wie "Life of Pi" komme nichts bei jenen an, die heutzutage einen Großteil der visuellen Dynamik solcher Filme stemmen, empören sich die Grafiker: "Viele der Künstler, die Nächte und Wochenenden durcharbeiteten, sind nun arbeitslos", schreiben die Initiatoren von "VFX Solidarity International" - und prangern Studios wie Fox und Universal als Beispiele schlechter Arbeitsbedingungen an.

Auch Ang Lee, der Regisseur von "Life of Pi", wird in einem offenen Brief attackiert: "Herr Lee, ich glaube, dass Sie ein bedachter und brillianter Mann sind. Und ein begnadeter Filmemacher. [...] Aber ich frage mich, ob die Horrorgeschichten von unbezahlten Überstunden und illegalen Anstellungen zur Norm werden, nur weil Sie und Ihre Regiefreunde 'es gerne billiger hätten'." Den Brief verfasste Phillip Broste, Lead Compositor bei der Effektefirma Zoic Studios. Er bezog sich auf eine Aussage Lees zum insolventen Studio "Rhythm & Hues", in der Lee bedauerte, dass manche Firmen in harten Zeiten nicht überleben können.

Während der Oscar-Verleihung selbst versuchte "Rhythm & Hues"-Mann Westenhofer auf die prekäre Lage der Branche hinzuweisen. Doch als er in seiner Dankesrede kritische Töne anschlug, wurde ihm das Mikro abgedreht und das Orchester spielte die Eingangsmelodie von "Der weiße Hai". Das ist zwar ein gängiges Procedere, um Reden kurz zu halten, doch die Effekte-Szene verstand es als bösen Willen. Parallel zur Veranstaltung im Dolby Theatre hatten ehemalige "Rhythm & Hues"-Angestellte und befreundete Grafiker vor dem Veranstaltungsgebäude protestiert. Sie forderten eine Gewerkschaft für Effekte-Angestellte und ein Ende des Outsorcings von Aufträgen mittels ausländischer Film-Förderprogramme. Insgesamt sollen etwa 400 Menschen an der Demonstration teilgenommen haben.

Auf der Facebook-Seite gibt es mittlerweile über 50.000 Unterstützer - drei Mal so viel wie noch vor der Oscar-Nacht.

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