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„Light shines through the curtains of time“ heißt die Schau im virtuellen Raum. Gedichtet hat ihn ein Algorithmus.

© Galerie Priska Pasquer

Virtuelle Galerie: Blumen im Cyberspace

Die Kölner Galeristin Priska Pasquer berät als Atavar in ihrer virtuellen Dependance.

Eröffnungen bieten immer etwas Neues. Dies aber ist eine ganz besondere Premiere. Der Ort: eine Insel. Der Weg zur Kunst führt über einen roten Teppich. In einen Kubus aus glattem Beton befindet sich die Ausstellung der Berliner Künstlerin Ornella Fieres. Die Kölner Galeristin Priska Pasquer ist in Pandemiezeiten sehr aktiv im Internet, mit Youtube-Videos, Instagram- Live-Talks und Gesprächen auf der neuen Laber-Plattform Club House. Und das ist nun so etwas wie das nächste Level: Pasquer hat sich einen virtuellen Galerieraum zugelegt, auf einer Insel im Meer. Dort feiert sie nun ihre erste Eröffnung. Und obwohl die Architekturdetails ein bisschen an die ehemalige Galerie Rudolf Zwirners erinnern, die Pasquer fünf Jahre lang bespielte, ist klar: Das ist nicht Köln!

Man befindet sich auf Mozilla Hubs, einer virtuellen Plattform. Die Besucherin – das ist das Besondere – ist dort nicht allein. Die Galeristin ist da, außerdem Kuratorin Tina Sauerländer, Künstlerin Ornella Fieres und etwa 30 Gäste. Wie auf einer analogen Vernissage reden alle durcheinander und man muss erst mal schauen, zu wem man sich gesellt. Menschen können sich bei Mozilla Hubs wie in einem Videospiel als virtuelle Avatare bewegen und mit anderen Anwesenden sprechen. Manche haben ihre echten Namen über sich schweben, andere kryptische Codes. Hat man den Dreh raus, kann die eigene Gestalt mittels der Pfeiltasten auf der Computertastatur navigiert werden. Gut möglich, dass Priska Pasquer die Erste ist, die ihre Gäste in einer virtuellen Dependance empfängt.

Es geht auch ohne VR-Brille

„Für mich als Kuratorin ist der virtuelle Raum genial. Man kann alles überall hinhängen, es gibt keine Schwerkraft, man kann ganz anders inszenieren“, sagt Tina Sauerländer, Berliner Spezialistin für Virtual Reality. Als Besucherin agiert man indes wie im echten Leben: Gucken, wer da ist. Plaudern. Und wenn nichts zu tun ist, steuert man hinaus an den Strand. Dort ist auf einer Leinwand im Meer eine Videoarbeit von Ornella Fieres installiert. Ideal ist das Erleben mit einer VR-Brille. Aber es geht auch ohne. Web-VR funktioniert mit jedem Browser.

Die vierteilige Ausstellungsreihe, die Priska Pasquer für ihre digitale Galerie konzipiert hat, heißt „One to One“. Je eine Kuratorin und eine Künstlerin gestalten gemeinsam eine Ausstellung, erst einmal nur in der virtuellen Welt. Den Anfang machen Sauerländer und die 1984 in Frankfurt geborene Künstlerin Ornella Fieres, der gerade auch die Galerie Sexauer in Berlin eine Soloschau widmet. Fieres ist eine ideale Kandidatin für das Experiment. In ihrer Kunst geht es um die Verbindung von Analogem und Digitalem. Ihre Blumenbilder entstehen, indem sie etwa Postkarten aus den 60er- und 70er-Jahren digitalisiert und eine Software, ein sogenanntes „Generative Adverbial Network“ (GAN), damit füttert. Der Algorithmus kreiert auf Basis des Gelernten eigene Bilder. An der virtuellen Betonwand hängt nun das Bild einer Pflanze in Blau-Beige mit leicht gekräuselten Blättern. Das Motiv füllt im Digitalen fast eine ganze Wand, in der Realität sind die C-Prints ein Meter mal ein Meter groß (5000–6500 Euro).

Einer der Sträuße mit stark verschwommenen Konturen erinnert an einen Atompilz. Indem die guten und die schlechten Seiten des menschlichen Entdeckergeistes zum Vorschein kommen, bilde das Motiv die Brücke zu Fieres' Videoarbeiten, sagt Tina Sauerländer bei einer Führung im virtuellen Raum. Das zweiteilige Video „Algorithm for Snowfall“ besteht aus einer Algorithmus-basierten Rekonstruktion wissenschaftlicher Filme, die in extremer Zeitlupe ablaufen. Man sieht Schneefelder, Gletscher, Aufnahmen unterm Mikroskop. Ein Film läuft vorwärts, der andere rückwärts, und für einen Moment laufen sie synchron. Zugegeben, als Avatar ist man so sehr damit beschäftigt, seinen digitalen Körper unter Kontrolle zu bringen, dass man kaum die Geduld aufbringt, diesen spannenden Moment abzuwarten.

Verabredung im Online-Viewing-Room

Trotz der Koordinationsprobleme bekommt man aber einen guten Eindruck von Fieres’ Kunst, die auch schon mal im Raum schweben kann. Das große Plus ist, dass man direkt mit Galeristin, Künstlerin und Kuratorin über die Werke sprechen kann. Anders als in Online-Viewing-Rooms, in denen man alleine auf die Bilder schaut.

„Die Zukunft des Kunstverkaufens ist digital“, ist Priska Pasquer überzeugt. Im Moment fallen internationale Kunstmessen aus oder finden nur online statt. Das verhindere so manchen Kontakt. In ihrer virtuellen Galerie kann Pasquer etwa einen Interessenten aus New York persönlich durch die Ausstellung führen. Und ihre Mitarbeiterin berät Kunden nicht via Zoom oder Telefon, sondern als Avatar in der digitalen Galerie.

Den Impuls zu diesem Schritt hatte Pasquer im Coronajahr 2020. Nach fünf Jahren lief im Sommer ihr Mietvertrag für die 400-Quadratmeter-Räume in Köln aus. Sie entschloss sich, in ein geteiltes Büro am Rheinufer zu ziehen und zusätzlich virtuell auszustellen. „Wegen der Corona-Beschränkungen waren weniger Besucher in der Galerie. Und ich konnte mir vorstellen, dass die Situation noch länger dauert“, sagt Pasquer. Mit dem Ortswechsel geht auch eine inhaltliche Neuausrichtung einher. „Ich will mich künftig mehr auf einzelne Positionen konzentrieren statt auf Gruppenausstellungen“, so die Galeristin.

Im Anschluss an die virtuelle Vernissage könnte eine analoge Ausstellung folgen. „Normalerweise kommt das Analoge zuerst, dann füttern wir die digitalen Plattformen. Den Prozess drehen wir nun um“, sagt Pasquer. Eine Absage an den realen Showroom ist das aber nicht. Pasquer sucht bereits nach größeren Räumen; in Köln, nicht auf einer Insel.

Bis 9. März, jederzeit besuchbar, den Link gibt es auf priskapasquer.art

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