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Bild aus Sergei Loznitsas Forum-Film "Den' Pobedy" ("Victory Day").

© Imperativ Film

„Victory Day“ im Forum: Russisches Volksfest im Treptower Park

Am 9. Mai feiert Russland den Sieg über das „Dritte Reich“, auch in Berlin. Sergei Loznitsas Doku „Victory Day“ im Forum.

Sie kommen in Uniform, in schwarzer Lederjacke mit roten Nelken und Orden, mit Kränzen und Fahnen. Sie paradieren, tanzen und singen, einzeln und im Chor, sie zelebrieren das Ende des „Großen Vaterländischen Kriegs“, wie der Zweite Weltkrieg bis heute in Russland heißt, den Sieg über das „Dritte Reich“. Der 9. Mai ist der wichtigste Feiertag in Russland, auch am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park in Berlin wird er zelebriert. Hier liegen 7000 Rotarmisten begraben. Und einmal im Jahr wird ihnen zu Ehren ein Volksfest gefeiert, rund um die Kolossalstatue in der Mitte des Parks, mit Kind und Kegel und Hunden, die hübsch zurechtgemacht mit bunten Bändern einen kleinen Leiterwagen ziehen.

Nach seinem schwarz-weißen KZ-Gedenkstätten-Film „Austerlitz“ dokumentiert der ukrainische Filmemacher Sergei Loznitsa erneut den Trubel an einem Gedenkort: Gedreht wurde „Victory Day“ an einem einzigen Tag, am 9. Mai 2017. Wieder verzichtet Loznitsa auf jeden Kommentar, wieder wählt er das Breitwandformat, nur diesmal in leuchtend bunten Farben. Die versteinerten Trauernden und Gefallenen auf den Reliefs der Kalksarkophage konterkarieren das Gewusel der Menge. Stimmen lagern sich an, Ewiggestrige rufen Parolen und dass der Krieg noch nicht vorbei sei und die Faschisten immer noch regieren. „Blödsinn“, ruft einer zurück.

Krieg und Frieden als „Kalinka“-Folklore: Loznitsa entpolitisiert die Erinnerung auf seltsame Weise. Stalins Verbrechen, die Rolle der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg, die Teilung Polens, die Besetzung des Baltikums, die bis heute kein Thema sind beim Victory Day: Es sei ein zwiespältiger Festtag, schreibt der Regisseur in seinen Notizen zum Film. Ähnlich wie bei „Austerlitz“ fragt man sich, ob er die Besucher heute, die jungen Familien, die fröhlich tanzenden Männer und Frauen dafür in der Verantwortung sieht. Der Film macht sie jedenfalls haftbar, irgendwie.

21.2. 13.45 Uhr (Cinestar 8); 23.2., 15.30 Uhr (AdK); 25.2., 20 Uhr (Colosseum)

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