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Gast im Exil. Max Beckmann malte Erhard Göpels monumentales Porträt (178 mal 84 Zentimeter) 1944 in seinem Amsterdamer Atelier.

© Andres Kilger/VG Bildkunst Bonn 2018

Vermächtnis von Barbara Göpel: Staatliche Museen präsentieren Beckmann-Gemälde

Die Kunsthistorikerin Barbara Göpel vermacht den Staatlichen Museen Berlin ein gewaltiges Max-Beckmann-Konvolut, darunter zwei aufsehenerregende Gemälde.

Nun freue Dich, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, müsste es heißen. Die Staatlichen Museen haben mit knapp 100 Werken von Max Beckmann einen sensationellen Zuwachs erfahren durch das Vermächtnis der im vergangenen Jahr 95-jährig verstorbenen Berliner Kunsthistorikerin Barbara Göpel: 46 Zeichnungen, 52 Papierarbeiten und zwei Gemälde. Zusammen mit Nationalgalerie-Direktor Udo Kittelmann und dem kommissarischen Chef des Kupferstichkabinetts, Holm Bevers, präsentierte Generaldirektor Michael Eissenhauer die Schenkung nun im Rahmen einer Pressekonferenz. Im Studiensaal des Kupferstichkabinetts waren die wichtigsten Werke des Beckmann-Konvoluts und ein Landschaftsbild von Hans Purrmann von 1955 für einen Vormittag zu sehen, bevor sie im Herbst im Rahmen einer regulären Ausstellung dem großen Publikum vollständig vorgeführt werden.

Eine Sensation sind vor allem die Beckmann-Gemälde. Das eine zeigt den Künstler im Selbstporträt in einer Bar. Es entstand 1942 im Amsterdamer Exil und vermittelt die ganze Tragik eines Künstlers in Zwangslage. In Deutschland darf der 56-Jährige nicht mehr ausstellen, sein Werk gilt als „entartet“. In Holland ist er nicht zu Hause und muss das seit 1939 beantragte Ausreisevisum für die USA abwarten. Der Maler steckt symbolträchtig zwischen einer dunklen Fläche im Hinter- und einem schweren, ornamental geschwungenen Gitter im Vordergrund fest. Das schwermütige Bild wird dadurch noch ergreifender, dass es künftig im sanierten Mies-van-der-Rohe-Bau dann jenes Selbstporträt sozusagen ersetzen wird, das 1937 im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ konfisziert und in die Vereinigten Staaten verkauft wurde, einer der schmerzlichen Verluste der Nationalgalerie während der Zeit des Nationalsozialismus.

Das andere Bildnis schlägt eine noch schärfere Schneise in jene Jahre. Es zeigt Erhard Göpel, den bereits 1966 verstorbenen Ehemann der großen Schenkerin, der mit Beckmann in der Zeit in enger Verbindung stand. Das monumentale Porträt entstand 1944 im Amsterdamer Atelier während Göpels Tätigkeit als Einkäufer in den besetzten Gebieten für das „Führer“-Museum in Linz. Über Beckmann aber hielt der Kunsthistoriker seine schützende Hand und half ihm bei so manchem überlebenswichtigen Verkauf, indem er wie der NS-Kunsthändler Hildebrand Gurlitt Bilder des Künstlers Transporten des Linzer „Sonderauftrags“ heimlich beilud, damit sie zu dessen Münchner Kunsthändler gelangten. Während Göpel hier offensichtlich uneigennützig handelte und sich nach dem Krieg bis zu seinem Tod als Beckmann-Forscher betätigte, ist seine Rolle als Kunsteinkäufer in Hitlers Auftrag mit ambivalent gelinde umschrieben.

Welche Rolle spielte Göpel während der NS-Zeit?

Half er jüdischen Kunsthändlern zu überleben, wie der langjährige Leiter des Hamburger Bahnhofs, Eugen Blume, betont, indem er für einen Aufschub ihres Abtransports in ein Konzentrationslager sorgte? Durch Blumes Vermittlung kam die Schenkung an die Staatlichen Museen erst zustande. Oder gewährte Göpel diesen Schutz womöglich nur so lange, bis er an die begehrten Werke der Händler gekommen war, wie Petra Winter, Leiterin des Zentralarchivs der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ebenfalls auf der Pressekonferenz in den Raum stellt. Was blieb ihnen vom Verkauf, wenn der ohnehin heruntergehandelte Preis auf die für ihre Ausreise zu zahlende Summe angerechnet wurde?

„Wir weichen diesen Fragen nicht aus“, so Eissenhauer. Petra Winter und ihr Team werden in den nächsten Monaten klären müssen, ob der Schatten eines Verdachts, eines verfolgungsbedingten Entzugs, über den aus problematischer Quelle stammenden Werken schwebt. Vermutlich nicht. Göpel stand in freundschaftlicher Verbindung mit Beckmann. Die zwischen 1900 und 1947 entstandenen Zeichnungen sowie die grandiosen Druckgrafiken dürften Schenkungen des Künstlers an Göpel sein oder zumindest direkte Erwerbungen.

Eine Geschichte mit vielen Grautönen

Stellt sich nur die Frage: Will man das Porträt eines Mannes, der wie so viele andere nach dem Krieg seine Rolle im „Dritten Reich“ herunterspielte, in der Nationalgalerie hängen haben – selbst wenn es ein Werk von Max Beckmann ist? Udo Kittelmann beantwortet sie mit „Ja“. Für ihn ist das Göpel-Bildnis ein Gewinn „im mehr ethisch moralischen Sinne“. Die Zeiten, in denen nur die Ikonen der Kunstgeschichte ausgestellt wurden, seien vorüber. Einen Vorgeschmack darauf gab die Sammlungsausstellung „Moderne Zeiten“ 2011 im Mies-van-der- Rohe-Bau, in der das verlorene Beckmann-Porträt „Bildnis im Smoking“ als Schwarz-Weiß-Reproduktion in einer „Schattengalerie“ hing. Wie bei der Rudolf-Belling-Retrospektive zuletzt im Hamburger Bahnhof sollen künftig die historischen Umstände in die Präsentation eingehen.

Eine glanzvolle Geschichte wird es da kaum zu erzählen geben, eher eine mit vielen Grautönen. Dem ebenso großzügigen wie mutigen Vermächtnis von Barbara Göpel, die sich den dunklen Seiten im Leben ihres Mannes selbst nie stellen mochte, wird darin ein wichtiges Kapitel zu verdanken sein.

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