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Kultur: Vergangenheitsüberwältigung

Das ehemalige Studio des NS-Bildhauers Arno Breker ist seit den Siebzigern Atelierhaus. Nun soll dort ein Museum entstehen. Die Künstler wehren sich

Das Ende der einen Geschichte ist der Anfang der nächsten. Doch nicht immer bewegt Geschichte sich nach vorn. In Berlin geht sie manchmal auch im Krebsgang zurück. In diesem Fall in die fünfziger Jahre. Und auf der Strecke bleibt die Gegenwart.

Historische Altlasten liegen auf der Halle, die so idyllisch im Grün des Grunewalds versteckt ist. 1939 bis 1942 wurde das Haus von Hans Freese als Atelier für Hitlers Lieblingsbildhauer Arno Breker gebaut. Seit 1949 nutzte Bernhard Heiliger, ein Breker-Schüler, den östlichen Teil als Wohn- und Arbeitsquartier. Auf dem Nachbargrundstück entstand 1967 das Brücke-Museum. Nach Heiligers Tod 1995 übernahm die Heiliger-Stiftung seine Räume, seine Witwe Sabine lebt immer noch dort. Es gibt Kinderbildhauerkurse und Open Days, Heiligers Skulpturen sind unter Kiefern im angrenzenden Skulpturengarten zu sehen.

Eine Idylle, ein idealer Kunstort – das finden auch die Künstler, die den Westteil nutzen. Ein Umbau Anfang der Siebziger wandelte die monumentale Mittelhalle in acht Ateliers um, zusätzlich stehen Brekers Gips- und Steinatelier zur Verfügung. Und immer wieder hat sich die dunkle Geschichte des Hauses als Folie erwiesen, gegen die sich wirkungsvoll anmalen ließ. Der Venezianer Emilio Vedova, der 1964/65 auf Einladung Werner Haftmanns nach Berlin kam, entwickelte in der damals noch ungeteilten Haupthalle einen malerischen Furor, der sich auch aus der Auseinandersetzung mit der NS- Geschichte Berlins und speziell des Ateliergebäudes speiste. Sein „Absurdes Berliner Tagebuch“, das in diesen Räumen entstand, hat Vedova 2002 der Berlinischen Galerie vermacht.

Aber auch die heutigen Künstler kommen von der Vergangenheit nicht los – oder suchen sie bewusst. Tina Born, die seit 2008 die Steinhalle nutzt, bekennt, ihre Werke seien monumentaler geworden, seit sie am Käuzchensteig arbeitet. Wo gibt es das heute noch, ein zehn Meter hohes Bildhaueratelier, ausgestattet mit Galerie, Lastenaufzug und Hebebühne? Noch heute atmet der Ort die ursprüngliche Großmannssucht. Eine der ersten ortsbezogenen Installationen Borns, „Pantograph“, orientierte sich an Brekers Vergrößerungsapparat und kippte das sechs Meter hohe Atelierfenster im 1:1-Maßstab in den Raum, wo es die düsteren Kiefern draußen und die dräuenden Wolken spiegelte. Derzeit hängt eine schwarze Sonne an der Wand: Die Faszination der Nazis für Esoterik und Okkultismus reizt die Künstlerin. Ansonsten gießt sie gerade Bäume aus dem Grunewald in Gips nach.

Könnte sein, dass Tina Borns Baum-Installation nun zum Memento mori wird: Am 30. Juni endet die Zeit des Breker-Ateliers als aktiv genutztes Atelier. Noch sind sechs Räume vermietet, der Rest steht leer, ein Fenster schlägt im Wind. Stars wie Jimmie Durham oder Dellbrügge & de Moll sind längst ausgezogen. Und auch die Künstler, die geblieben sind, wissen, dass ihre Tage gezählt sind: „Mein Vertrag ist zuletzt immer nur für kurze Zeit verlängert worden“, so der Fotograf Claus Goedicke. Spätestens mit der letzten Nicht-Verlängerung war klar: Am Käuzchensteig ist kein Bleiben mehr. Es geht ihnen nicht so sehr um die eigene Nutzung, so angenehm das Leben und Arbeiten im Grünen auch ist, sagen die Künstler, die sei immer nur auf Zeit gewesen. Es geht um verlorenen Atelierraum und ein Bekenntnis zur zeitgenössischen Kunst.

Die Künstler schlagen spät Alarm, erst, als die Bäume im Garten des Atelierhauses Anfang Juni dramatisch zurückgeschnitten worden sind. „Kahlschlag“ titelt ihre Pressemitteilung nun und rügt „Klaus Wowereits kulturpolitischen Alleingang“. Schon länger stand eine Sanierung des Gebäudes an, nun hat der Berliner Senat still und heimlich beschlossen, mit der Sanierung auch die Nutzungsform zu ändern. Das Gebäude soll in seinen Ursprungszustand zurückversetzt werden und sich als Museum der Skulptur nach 1945 widmen. Und wieder einmal ist es nicht so sehr das Was, sondern das Wie, das alle erregt. Dass da Entscheidungen gefällt wurden, bevor die Öffentlichkeit über die Pläne unterrichtet wurde. Schon 2010 wurden 1,2 Millionen Euro Lottomittel für den Umbau des Gebäudes bewilligt. Alice Ströver, kulturpolitische Sprecherin der Grünen, die das Thema im Mai in einer Kulturausschuss-Sitzung aufbrachte, empört sich über das ihr unverständliche klandestine Gebahren.

Dabei ist der Plan vielleicht gar nicht so falsch. Die Nachbarschaft zum Brücke- Museum, das durchaus mehr Publikumszulauf gebrauchen könnte, die Möglichkeit, mit einem Museumscafé beide Häuser sowie Spaziergänger aus dem Grunewald zu versorgen, die Tatsache, dass eine Auseinandersetzung mit der Nachkriegsskulptur ohne die Vorgeschichte der NS-Katastrophe kaum denkbar ist, all das sind gute Argumente für den Museumsplan. Der Berliner Kurator Marc Wellmann, der im Kolbe-Museum, für das künstlerische Programm zuständig ist und als Sohn von Sabine Heiliger mit ihr im Vorstand der Heiliger-Stiftung sitzt, träumt von einer Dauerausstellung, im Zentrum natürlich Bernhard Heiliger, aus dessen Sammlung die Ausstellung bestückt werden soll, ergänzt durch Leihgaben von Karl Hartung, Hans Uhlmann, aber auch Ost-Kollegen wie Fritz Cremer und Waldemar Grzimek. Synergien mit dem Kolbe-Museum, das sich als privates Skulpturenmuseum längst auch der Gegenwart geöffnet hat, sind durch die Personalunion Wellmanns durchaus möglich. Doch der Plan, so Wellmann, kam vom Senat, nicht von der Heiliger-Stiftung.

Dünnhäutig ist man längst, auf beiden Seiten. Das Projekt bringt Ärger, bevor es offiziell beschlossen wurde. Künstler wie Nachbarn monieren, nicht informiert zu werden. Noch nichts sei entschieden, alles noch im Planungsstadium, kontert Wellmann. Auch sei keineswegs von Eventgastronomie, sondern nur von einem Museumscafé die Rede. Und die Künstlerateliers habe der Senat in den letzten Jahren ohnehin nur mit Mühe vermietet bekommen. Die andere Seite sieht eine mächtige Künstlerstiftung am Werk, in deren Beirat sich die alte West-Berliner Politelite von Klaus Landowsky über Volker Hassemer und Walter Rasch bis zu Klaus Wowereit versammelt. Dass Entscheidungen hier sozusagen auf dem kleinen Dienstweg geregelt werden können, liegt auf der Hand. Und diese Heimlichkeit passt nicht zu dem Getrommel rund um die Leistungsshow „Based in Berlin“, mit dem Klaus Wowereit derzeit die Gegenwartskunst in Berlin pusht, findet nicht nur Wowereit-Kritikerin Alice Ströver.

Am Ende geht es nicht so sehr um zehn Ateliers mehr oder weniger – zumal in Adlershof und Weißensee in den letzten Jahren neue Ateliers entstanden sind. Es geht noch nicht einmal um die Frage, ob die Nachkriegsskulptur und speziell Bernhard Heiliger ein eigenes Museum braucht oder nicht. Es geht darum, wie ein belasteter Ort angemessen genutzt wird. Beate Terfloth, die selbst in einem der Ateliers arbeitet, bringt es auf den Punkt: „Die Geste nach dem Krieg, sich gegen die Idee eines Staatsbildhauers zu entscheiden und in dem ehemaligen Breker-Atelier zehn verschiedene Ateliers einzurichten, habe ich immer bewundert. Das war eine Entscheidung für die Demokratie und die Vielstimmigkeit im Geistesleben. Viele der Künstler, die dort gearbeitet haben, haben sich mit der NS-Vergangenheit des Gebäudes und Arno Brekers auseinandergesetzt. Ich bin der Ansicht, dass das ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Gebäude ist. Ausgerechnet in diesem Gebäude ein Museum für Nachkriegskunst, sozusagen als Anschluss an Brekers Tätigkeit, einzurichten, finde ich hingegen höchst problematisch.“

Open Atelier bei Tina Born, Steinhalle, Käuzchensteig 12, 19.6., 15-20 Uhr

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