zum Hauptinhalt
Weltkulturerbe des Mitternachtskinos. Eine Szene aus „Tanz der Teufel“.

©  Sony

Verbotener Klassiker "Tanz der Teufel": Bis auf die Knochen

Der Horrorklassiker „Tanz der Teufel“ ist endlich legal zugänglich. Eine deutsche Zensurgeschichte.

Von Andreas Busche

Die Geschichte klingt wie der Stoff, aus dem die Traumfabrik ihre Mythen spinnt. Anfang der achtziger Jahre drehen ein paar Filmstudenten im hintersten Tennessee für 350 000 Dollar einen Horrorfilm. Die Freunde treffen sich in der Freizeit, Mangel an Erfahrung kompensieren sie mit Leidenschaft für dreckiges, „psychotronisches“ Genrekino, so nennt es der Trashfilm-Aficionado Michael Weldon.

Die Handlung von „The Evil Dead“ ist längst ein Horror-Evergreen: Zwei Pärchen und ein Freund verbringen ein Wochenende in einer Waldhütte, finden eine schwarze Bibel und erwecken versehentlich einen Dämon von den Toten. Aber so richtig. Die matschigen Splattereffekte und kreativen Kameratricks schufen eine surreale Atmosphäre von Horror und Slapstick – eine sympathische Abwechslung von den knochenknirschenden, augäpfelplatzenden Slasherfilmen à la „Freitag der 13.“, die damals schwer in Mode waren. Die Low-Budget-Produktion bedeutete für Regisseur Sam Raimi und den älteren Coen-Bruder Joel, der als Regieassistent und Cutter aushalf, den Beginn einer großen Karriere in Hollywood.

Gewalt gegen Zauberwesen

Wie jede gute Geschichte hat natürlich auch diese einen Twist. Denn hierzulande war „Tanz der Teufel“, so der deutsche Titel, 32 Jahre lang verboten. Zwar gibt es in Deutschland laut Artikel 5 des Grundgesetzes keine Zensur, dafür aber im Strafgesetzbuch den berüchtigten Paragrafen 131. Dieser erfreute sich Mitte der achtziger Jahre unter Richtern großer Beliebtheit. Zur Hochzeit des Videobooms in deutschen Wohnzimmern zog die Justiz reihenweise Horrorfilme wegen angeblich übertriebener Gewaltdarstellung aus dem Verkehr. „Tanz der Teufel“ wurde 1984 beschlagnahmt, was die Gerichte nicht davon abhielt, auch noch zwei vom Verleih stark gekürzte Versionen aus dem Verkehr zu ziehen. In der offiziellen Begründung hieß es, der Film zeige „Gewalt gegen Menschen, wenn auch die weiblichen Wesen zum Teil durch Zauberkräfte entmenschlicht dargestellt werden“.

Der Wortlaut lässt schon die Absurdität des Urteils erahnen. „Tanz der Teufel“ gehört neben „Texas Chainsaw Massacre“, der längst in den Filmkanon des Museum of Modern Art aufgenommen ist, und „Dawn of the Dead“ (auch bekannt unter dem Schmuddelfilmtitel „Zombies im Kaufhaus“) zu den maßgeblichen Horror-Klassikern, die in Deutschland offiziell zwar verboten sind, aber – bis vor wenigen Jahren nur als schlechte Raubkopien – in keiner ernst zu nehmenden Filmsammlung fehlen.

Remakes laufen im Multiplex

Es hat lange gedauert, bis „Tanz der Teufel“ juristisch Gerechtigkeit widerfuhr. Obwohl die Justiz und die dem Familienministerium unterstellte Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM), in Deutschland für Indizierungen zuständig, weiterhin erratische Beschlüsse fassen, hob das Amtsgericht Tiergarten im August 2016 die Beschlagnahmung aller drei Fassungen von „Tanz der Teufel“ auf.

Damit war der Weg frei für die erste legale Veröffentlichung der ungekürzten Version. Die Rechte liegen inzwischen bei Sony, der Konzern brachte schon 2013 ein nicht gerade zimperliches Remake in die Kinos. Die Verbotsaufhebung wurde vom Verleih mit einem kleinen Kinostart des Originals gefeiert, zur Premiere von DVD und BluRay erscheint eine Sonderedition. Dieser Aufriss ist berechtigt, für Fans gehört „Tanz der Teufel“ zum Weltkulturerbe des Mitternachtskinos.

Bei aller Freude über das Urteil darf die fragwürdige Rolle der Justiz nicht vergessen werden. Denn noch immer sind 61 Titel beschlagnahmt, neben „Texas Chainsaw Massacre“ und „Dawn of the Dead“ auch „Last House on the Left“ sowie „Maniac“, deren Remakes in den vergangenen Jahren unbeanstandet in deutschen Multiplexkinos liefen. Darin zeigt sich die Willkür der Behörden, die sich – wie im Fall von „Tanz der Teufel“ geschehen – sogar anmaßen, die künstlerische Qualität von Filmen zu beurteilen.

Eine juristische Farce

Dass die juristische Vorgeschichte von Raimis Film eine Farce ist, zeigt schon der im Internet dokumentierte Schriftverkehr zu den Revisionsklagen. „Tanz der Teufel“ verdanken wir etwa, dass der Gewalt-Paragraf 131 seit 2003 den kuriosen Zusatz „Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen“ führt. Die Ergänzung war eine Reaktion auf die kurz zuvor entflammte Debatte um Gewalt in Videospielen, die nach dem Amoklauf von Erfurt wieder mal als Sündenbock herhalten mussten. Diese Kontroverse geistert zyklisch durch die Medien. Sie war lange einzige Legitimation für die Existenz der BPjM, die ähnlich wie die FSK einer anachronistischen Auffassung vom Medienkonsumverhalten Jugendlicher anhängt.

Dabei zeigt eine neuerliche Begegnung nur, wie harmlos „Tanz der Teufel“ tatsächlich ist, was die FSK-Freigabe „ab 16“ bestätigt. Sicher, die berühmte Vergewaltigung durch einen von Dämonen besessenen Baum ist immer noch Geschmackssache. Doch sonst weckt der Film eher Nostalgie. Vor allem wirkt es wie ein Schock, den Klassiker der eigenen Jugend endlich in guter Qualität zu sehen. Auf DVD und BluRay zeigen Raimis erste filmische Versuche umso deutlicher das außergewöhnliche Talent und die bizarre visuelle Imagination des späteren „Spiderman“-Regisseurs. Gleiches gilt für George A. Romero, Wes Craven und Peter Jackson, anerkannte Autorenfilmer des Horror- und Fantasygenres. Deren Frühwerke bleiben jedoch bis auf Weiteres im Giftschrank der deutschen Justiz.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false