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Verwalten und gestalten. Ute Müller-Tischler (hier in der Ruine der Franziskaner-Klosterkirche) leitet den Fachbereich Kunst und Kultur des Bezirks Mitte.

©  Doris Spiekermann-Klaas

Ute Müller-Tischler im Porträt: Die Intendantin von Mitte

Ute Müller-Tischler ist für die kommunalen Galerien zuständig. Und positioniert sie erfolgreich. Ein Rundgang durch den Bezirk.

Kunst oder Kanalisation? In der Ruine der Franziskaner-Klosterkirche an der Grunerstraße steigen blau glänzende Rohre zehn Meter hoch in den Himmel und biegen sich zu großen Schleifen ohne Anfang und Ende. Für die Arbeit „Radiator“ nimmt das Künstlerduo Borgman/Lenk nicht nur auf die Erhabenheit gotischer Architektur Bezug, sondern auch auf die profane Ästhetik der Rohre, mit denen die Berliner Bauarbeiter das Wasser oberirdisch umleiten. Das Leben als ewige Baustelle passt gut als Bild für das seltsam undefinierte Zentrum von Berlin.

Hier liegt das kleine Reich von Ute Müller-Tischler. Die promovierte Kunstwissenschaftlerin leitet seit fünf Jahren den bezirklichen Fachbereich Kunst und Kultur in Mitte. Ein Schattenreich zwischen glamourösen Museen und flackernden sozialen Brennpunkten. Neben dem historischen Zentrum gehören auch die Ortsteile Tiergarten, Moabit und Wedding dazu. Damit ist Ute Müller-Tischler für drei kommunale Galerien verantwortlich sowie für die beiden neuen Ausstellungsorte, die Ruine der Franziskaner-Klosterkirche aus dem 13. Jahrhundert und den Bärenzwinger. Ein Job zwischen Verwalten und Gestalten. Ute Müller-Tischler hat selbst 15 Jahre Ausstellungen kuratiert. Aber ihr fällt auch das Jonglieren mit Begriffen wie „Fachvermögen“ oder „Förderkulisse“ leicht. Die kommunalen Galerien sieht sie als eine Art „Vormarkt“. Künstlerinnen und Künstler erhalten ein Honorar, bleiben unabhängig vom Kommerz. Das Programm, das unter dem Dach „Kultur Mitte“ firmiert, bietet unaufgeregte, qualitätsvolle Kunst, die einlädt, genau hinzuschauen und Strukturen zu erkennen.

Öffentliche Räume für Kunst und Kultur garantieren

In der Galerie Nord/Kunstverein Tiergarten in der Turmstraße verbirgt sich hinter dem harmlosen Titel „Waldarbeiten“ die exquisite Recherche von vier Künstlerinnen, die ein Waldstück in der Uckermark unter die Lupe genommen haben. Francis Zeischegg zeigt die Spuren von Jägern und Soldaten, Modelle von Wachtürmen und eine luftige Collage aus den Linsen von Zielfernrohren. Nanne Meyer dokumentiert den Schilderwald in der Natur. Beate Spalthoff lässt Kiefernnadeln vor hellem Grund schweben, Andrea Zaumseil studiert die Rindenmuster. Die künstlerische Leiterin Veronika Witte hat die Schwarz-Weiß-Arbeiten so pfiffig in die Architektur integriert, dass man immer wieder stutzig wird.

Ute Müller-Tischler vergleicht ihren Job mit dem einer Intendantin. Sie will Rahmenbedingungen herstellen, öffentliche Räume für Kunst und Kultur garantieren. Neben Solvej Helweg Ovesen hat sie Bonaventure Soh Bejeng Ndikung – einen der Kuratoren der Documenta 2017 – für die Leitung der Galerie Wedding in der Müllerstraße engagiert. Hier wird an diesem Samstag eine Film-Fotoinstallation von Simon Fujiwara eröffnet. Der britische Künstler will mit „Joanne“ die Reputation seiner Lehrerin wiederherstellen. Joanne Selley war Schönheitskönigin, Model – und unterrichtete einige Jahre Kunst an Fujiwaras Schule. Als nach einem Shooting Oben-ohne-Bilder von ihr auf einem Stick gefunden wurden und unter den Schülern kursierten, wurde sie als „naked teacher“ durch die Regenbogenpresse gejagt. In großformatigen Fotos und einem Film reflektiert Fujiwara die Möglichkeit, mit sogenannten sozialen Netzwerken Einfluss auf das eigene Image zu nehmen.

Seit 2017 wird auch der Bärenzwinger im Köllnischen Park für Kunst genutzt. Wo einst unglückselige Wappentiere ihr Dasein fristeten, soll ein Lehr- und Lernort für Kuratoren entstehen. Fünf Volontäre organisieren das Programm in Eigenregie. Gerade reagiert Miriam Jonas auf die Käfige im Innern. Die Schülerin von Ayse Erkmen hat die Wände mit knallrosa Fliesen verkleidet. Der Farbton Baker-Miller-Pink soll angeblich Aggressionen dämpfen. Er wurde in Gefängnissen verwendet, versagte aber. Wer in einen der Käfige steigt und sich dem schrillen Rosa aussetzt, merkt schnell, warum.

Stringentes Programm anspruchsvoll umgesetzt

Neben kultureller Bildung und zeitgenössischer Kunst zählt auch Kunst im öffentlichen Raum zu den Aufgaben von Ute Müller-Tischlers Fachbereich. Gerade steht die Neugestaltung des Hansaplatzes an, der mit Akademie der Künste, Grips-Theater und Interbau-Architektur eigentlich ein Kulturort ist. Aber offenbar verlagert sich die Drogenszene aus dem Tiergarten nach Norden. Ute Müller-Tischler könnte sich einen kleinen Ausstellungsort hier vorstellen. Allerdings, fürchtet sie, fehlt dafür das Geld.

Der lohnende Rundgang durch die disparate Mitte lässt eine andere Ebene der Kunstvermittlung zum Vorschein treten. Nicht so glamourös wie die Museen, nicht so cool wie die privaten Galerien. Aber das Programm ist stringent konzipiert, anspruchsvoll umgesetzt und an wenig verwöhnten Stellen der Stadt ein ungeahnter Luxus. Bei freiem Eintritt.

„Waldarbeiten“, bis 27. 4., Galerie Nord/Kunstverein Tiergarten, Turmstr. 75, Di–Sa 13–19 Uhr. „Joanne“, Eröffnung heute, 21. 4., bis 26. 5., Galerie Wedding, Müllerstr. 146/147, Di–Sa 12–19 Uhr. „Habitat“, bis 6. 5., Bärenzwinger, Im Köllnischen Park, Di–So 12–18 Uhr. Weitere Informationen unter www.kultur-mitte.de

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