zum Hauptinhalt
Hier ist jeden des anderen Feind. Szene mit Jacob (Roland Kuchenbuch, vorn) und Kron (Christoph Hohmann).

© Franziska Strauss

"Unterleuten" im Schillertheater: Ein Dorf als Terrorzelle

Brandenburg ist überall: Juli Zehs Erfolgsroman „Unterleuten“ im Schillertheater.

Dieser Abend ist kein Spaß. Das fängt schon mit der Romanvorlage an: Juli Zehs „Unterleuten“, 2016 erschienen und schnell zum Bestseller geworden, erzählt von einem Dorf in der Ostprignitz, an dessen Rand ein Windpark gebaut werden soll. Gegen den sind fast alle, die alteingesessenen Einheimischen wie auch die Zugezogenen aus Berlin. Jeder hat dafür seine eigenen, zumeist extrem egoistischen Gründe – und auch noch weitere Leichen im Keller. Rabiat werden die Konflikte ausgetragen in diesem Krieg jeder gegen jeden, der kollektive Psychoterror in idyllischer Umgebung kann jedem Vergleich mit den Shakespeare’schen Königsdramen standhalten.

Das ist nicht gerade der Stoff, den Martin Woelffer in seiner Komödie am Kurfürstendamm dem Publikum normalerweise bietet. Zum einen aber erinnert die düstere Handlung den Impresario wohl sehr an das eigene, urbane Schicksal: Das Stammhaus der Unterhaltungstheaterdynastie wurde gerade abgerissen, um einem renditeträchtigen Prestigeprojekt Platz zu machen. Und zum anderen ist der Zuschauerraum im Schillertheater, wo die Truppe Unterschlupf während der Bauarbeiten fand, so einschüchternd groß, dass Woelffer dort mit dem Mut der Verzweiflung auch mal was Ungewohntes wagt.

Der Wälzer von 600 Seiten wird zum Marathon in Mikroszenen

Im Fall von „Unterleuten“ hat er die Katze aber nicht im Sack gekauft, sondern eine Inszenierung übernommen, die zu den letzten Taten von Tobias Wellemeyer am Hans Otto Theater Potsdam gehörte, wo der Regisseur bis zum vergangenen Sommer Intendant war. Was Martin Woelffer an der Produktion so sehr überzeugt hat, bleibt allerdings unklar. Ute Scharfenberg, die den 600-Seiten-Wälzer für die Bühne bearbeitet hat, wollte unbedingt das ganze, komplizierte Geflecht der vielen parallelen Handlungsstränge beibehalten. Mit dem Effekt, dass man nun einem Marathon von Mikroszenen folgen soll, den 14 Schauspielerinnen und Schauspieler in 27 Rollen absolvieren. In dem Wäldchen aus kahlen Baumstämmen, das Alexander Wolf als Einheitsbühnenbild geschaffen hat, herrscht also drei Stunden lang ein ständiges Kommen und Gehen, längere Dialoge, in denen das zwangsläufig klischeehaft gezeichnete Personal auch mal ein wenig Charaktertiefe gewinnen könnte, fehlen fast völlig.

Die Aufführung schlingert unbefriedigend zwischen Krimi, Sozialsatire und Milieustudie hin und her, zudem gelingt es dem Regisseur nicht, den überschießenden Entäußerungsfuror seiner Darsteller zu zügeln. Viel zu laut, viel zu hektisch wird da agiert, vor allem bei Julian Mehnes vogelschützendem Professor und Jan Kersjes Investor aus Ingolstadt nervt der ostentativ zur Schau gestellte, emotionale Überdruck bald ungemein. Ein überzeugendes Rollenprofil, wenn auch ein abstoßend kaltherziges, gewinnt lediglich Katrin Hauptmann als hintertriebene Pferdetrainerin (weitere Aufführungen bis 15. Mai).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false