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Er braust durchs Tal, rettet Leben und sieht auch noch gut aus dabei. "Der Bergdoktor" im ZDF.

© Bernd Schuller/dpa

Unsere Guilty Pleasures (4): Hach ja, der Bergdoktor!

Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Aber schreiben. In der Serie Guilty Pleasures schauen wir in unsere Kitschecken. Teil 4: Der Bergdoktor.

Dass Ex Franziska noch jede Menge Ärger macht, war so was von klar. Hätte Bergdoktor Martin Gruber zur Spontan-Trauung mit On-off-Freundin Anne doch das Handy ausgemacht. Prompt rappelt das Ding los, als Anne im Brautkleid vor ihm steht und es rauf zur Kapelle gehen soll. Die von den ewigen Hilferufen zerknitterte Miene des Bergdoktors erstarrt. Notfall!

Ex Franziska liegt im Hospital. Droht gar Bergdoktor junior, den Franziska im Leibe trägt, eine Sturzgeburt? „Fahr zu ihr“, spricht Anne, ganz selbstlose Bergdoktorsfrau in spe. Er braust im alten Benz ins Tal. Die Hochzeit platzt. Mutter und Kind sind wohlauf. Beim Staffelfinale kommenden Donnerstag zeigt sich, wie lange.

Hach ja, der Bergdoktor! Alice Schwarzer und ich, wir beide sind süchtig nach ihm. Wie sollten wir nicht? Arzt- und Heimatserie in einem, das ist ein unschlagbares Rezept. Ob weiland im kuscheligen Glottertal in der „Schwarzwaldklinik“ oder im permafrostigen Chicago bei „Emergency Room“, der Arztserie, die George Clooney groß gemacht hat. Beim Bergdoktor verschmilzt der Nimbus des Heilers, dem keine Pschyrembel-Obskurität fremd ist, mit der Aura der erhabenen Bergwelt des Wilden Kaisers.

Herauskommt ein Übervatermediziner – der wilde Heiler – mit liberaler Patchworkfamilie, in der immer jemand anbändelt oder sitzen gelassen wird. Selbst Mutter Gruber, eine aufrechte Bäuerin, deren Hofladen ebenso wenig brummt wie Dr. Grubers Praxis (kein Geld für Statisten, liebes ZDF?), musste kürzlich mit ihrer nunmehr greisen Jugendliebe busseln. Buäh!

Der Bergdoktor bündelt so viele Sehnsüchte. Die nach einem Arzt, der sich tagelang und rund um die Uhr nur mir, der Kassenpatientin, widmet. Die nach einer Welt, in der beulige Körper, krumme Zahnreihen und Kratergesichter, wie sie Bergdoktor Hans Sigl und der selige Praxisvorgänger Siegfried Rauch tragen, attraktiv sind.

Ironie im Heimatfilm

Die nach endlos wiederholten Gaga-Dialogen, wie sie der Bergdoktor, sein Busenfreund Dr. Kahnweiler und dessen Gattin und Klinikchefin Dr. Fendrich pflegen. Kahnweilers Seufzer „Martin, mein einziger Freund!“ ist genau so ein Running Gag wie das Begrüßungsgeplänkel „Dr. Gruber?“ – „Dr. Fendrich!“. Ironie im Heimatfilm? Lotterleben trotz Familienidyll? Passt. Im Bergdoktor-Land, wo Österreicher nicht mal österreichisch reden.

Der Doktor ist übrigens gar nicht entscheidend am Bergdoktor. Die Berge sind’s. Ich gucke alles, wo Berge drin vorkommen. Ob „Bergretter“, „Daheim in den Bergen“, sogar Krimis, die „Tod in den Bergen“ heißen, von klassischem Bergfilm im Kino und Bergdramen wie „Nordwand“ gar nicht zu reden. Niveau ist mir schnuppe, Hauptsache, Berge. Berlin hat allerlei Vorzüge. Berge gehören nicht dazu. Und Bergwandern geht nur ein Mal im Jahr.

Dazwischen liegen lange Monate des Sehnens nach der Landschaft, die am Himmel kratzt. Nach würziger Höhenluft. Nach dem Licht, das schneebestäubte Gipfel glühen lässt. Die Frühstücksterrasse des Gruber-Hofs mit dem herrlichen Panoramablick. Da, wo der Bergdoktor nie in Ruhe den Kaffee austrinken kann. Notfall! Da könnte das Paradies auf Erden liegen.

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