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Hauptdarstellerin Elisa Carricajo

© Pensar con los manos

„Un Crimen común“ auf der Berlinale 2020: Bourgeoise Schuldverdrängung

Regisseur Francisco Márquez' Film ist eine Studie über Alleinerziehende. Aber die scheinen ihn gar nicht recht zu interessieren.

Eine irrlichternde Fahrt vorbei an den Horrorfiguren einer Geisterbahn gibt die Atmosphäre des argentinischen Films Un Crimen común vor. Der Schrecken ist für Kinder purer Spaß, unbeschadet springt Cecilias (Elisa Carricajo) Söhnchen aus dem Dunkel auf den Rummelplatz hinaus und läuft mit seinem Freund zur nächsten Attraktion.

Die alleinerziehende Mutter findet den Nachmittag so angenehm, dass sie ihrer Freundin und Kollegin an der Universität ankündigt, auch den kommenden Kindergeburtstag auf dem Platz feiern zu wollen. In den Tagen bis dahin geschieht ein Verbrechen, an dem sich Cecilia mitschuldig fühlt. Kaum zu glauben, dass der innere Tumult, der die Soziologie-Dozentin daraufhin aus der Bahn wirft, pünktlich zur Kinderparty wie fortgeblasen wirkt.

In Bildern, die ein nerviges filmisches Selfie nachstellen, scheint sie  aus den engen, verwinkelten Bildeinstellungen, die der Regisseur zuvor favorisierte, auszubrechen und reif, sich in einer durch Mark und Bein gehenden Rummelplatzattraktion endlich offen ihren Angstaffekten auszuliefern.

Unklar bleibt, was Regisseur Francisco Márquez an der Geschichte interessiert: Ist es das Gesicht von Elisa Carricajo, die sich mit sämtlichen Schattierungen der Gewissensbisse ihrer Rollenfigur vollendet identifiziert?  Ist es das Spiel mit allbekannten Gruseleffekten, wenn in Cecilias Haus das Dach knarrt, die Gardinen wehen und unbekannte Kleidungsstücke im Garten liegen? Die Umstände und Hintergründe des konkreten Crimen común sind jedenfalls nicht sein Thema.

Cecilia lehrt Wissenschaftstheorie, sie ist mit viel akademischer Strenge auf dem Weg zur Professorin. Stets allein mit ihrer Tasche unterwegs, hat sie den Alltag mit Teilzeitkind und Haushälterin im Griff. Einmal kommt der Sohn der Vertrauten ins Haus, ein Typ mit Basecap, der kaum grüßt und seine Mutter zu einem sorgenvollen Satzfetzen über die Polizei herausfordert.

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Als Cecilia in ihrem niedrigen, mit hölzernen Lamellen nach außen abgeschirmten Bungalow allein ist und ein Sturm aufkommt, klopft jemand an die Tür, den sie aus Angst nicht einlässt. Anderntags wird sie damit konfrontiert, dass der vermisste Sohn der Haushälterin von Polizisten in einen Fluss gestoßen worden sein soll und tot ist.

Bloßes Raunen

Der Schock führt in zunehmende Desorientierung, überall scheint die zuvor so selbstsichere Frau den Toten als Wiedergänger zu sehen. Die trauernde Mutter im Armenviertel nimmt ihr Beileid und die Geldzuwendung zuerst an, zieht jedoch einen harten Trennungsstrich, als Cecilia ihre Verstrickung beichtet.

Francisco Márquez‘ Film belässt es bei einem Raunen über Polizeiwillkür und Gewalt in Argentinien. Seine Studie über eine Alleinerziehende geht auch auf mögliche legitime Gründe einer Frau, einen unkenntlichen nächtlichen Störer nicht ins Haus zu lassen, nicht ein. Un Crimen común zeigt sie als allegorische Figur in einer wenig überzeugenden Geschichte über bourgeoise Schuldverdrängung.

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