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Türkische Filmkomödie: Reichtum für Anfänger

"Almanya" und "Türkisch für Anfänger" machen es vor: Es gibt sie noch, die Multikulti-Komödie. Ayse Polat geht in „Luks Glück“ ein bisschen weiter - und erzählt von den schrillen Folgen eines Lottogewinns.

Auf rund 80 Prozent beziffern Insider die Wahrscheinlichkeit, dass von einem Lottogewinn nach zwei Jahren nichts mehr übrig ist. Im Gegenteil, das Risiko, sich hoch zu verschulden, steigt enorm. Und Psychologen wollen nachgewiesen haben, dass das subjektiv empfundene Glück schon wenige Wochen nach dem Gewinn auf dem gleichen Niveau liegt wie das von querschnittsgelähmten Unfallopfern.

Was in der Wirklichkeit wahrscheinlich ist, ist in der Fiktion Gesetz: Lottogewinne zerstören Ehen, zersetzen Familien, bringen Freunde gegeneinander auf und treiben in den Ruin. Da ist das türkische Ehepaar in Ayse Polats Tragikomödie „Luks Glück“ keine Ausnahme, auch wenn die beiden es unbedingt richtig machen wollen: das Geld gut investieren (in ein Hotel in Kappadokien) und bloß nicht allen gleich von dem plötzlichen Reichtum erzählen. Ihr Sohn Luk (René Vaziri) hat mit seinem Anteil allerdings anderes vor: Er möchte mit seiner stimmbegabten Exfreundin Gül (Aylin Tezel) einen Song aufnehmen und ein Musikvideo dazu drehen. Aber vielleicht will er sie auch einfach nur zurückgewinnen.

Zunächst scheint alles auf eine milde Multikulti-Satire wie „Almanya“ oder „Türkisch für Anfänger“ hinzusteuern, es gibt oberflächliche kulturelle Konflikte und das Klische von der türkischen Großfamilie. Kaum in der Türkei angekommen, wo sie ein kappadokisches Hotel besichtigen wollen, das als Vermögensanlage erwogen wird, versuchen Luks Eltern, ihn mit einer hübschen Cousine zu verkuppeln. Der ist indessen viel zu beschäftigt mit seinem eigenen Projekt: Ohne seine Eltern einzuweihen, fliegt er Gül aus Hamburg ein, während sein umtriebiger Cousin Cem (Kida Khodr Ramadan) Kontakte zur Musikszene herstellt und Vorbereitungen für den Musikvideodreh trifft.

Der offenbar geniale Plan, den Luk mit manischem Eifer verfolgt, mag sich allerdings nicht so recht erschließen. Da soll türkische Folklore mit punkigem SkaRhythmus gepaart werden, Gül einen Text über Frieden zwischen Moslems und Christen singen, während sich im Video freizügig gekleidete Frauen prügeln und mit Milch übergießen. Gül kann ebenso wenig wie der Zuschauer erkennen, wie aus diesen Zutaten etwas Vernünftiges entstehen soll, aber angesichts von Luks Begeisterung zieht sie brav mit. Und ebenso der Zuschauer, der längst nicht mehr begreift, was Luk tatsächlich im Schilde führt. Aber wer sagt eigentlich, dass es etwas Vernünftiges ist, was er vorhat?

Hier bricht der Film aus dem Schema des Erwartbaren aus und überrascht mit seltsamen Wendungen, schrulligen Figuren und skurrilen Situationen. Besonders Linda Steinhoff sorgt in einer Nebenrolle für unwiderstehlich komische Momente, während die wunderbare Aylin Tezel, schauspielerisch etwas unterfordert, dem Ganzen emotionale Tiefe verleiht. Das ist auch insofern hilfreich, als der irritierend irrationale Luk als Identifikationsfigur bald ausscheidet. So ist „Luks Glück“ keineswegs die formelhafte Konsenskomödie, die die weitgehend biedere TV-Ästhetik erwarten lässt. Ayse Polat, 2004 beim Filmfest Locarno für ihr Drama „En Garde“ ausgezeichnet, erzählt in ihrem dritten Spielfilm eher eine Geschichte, die – vom Handwerklichen abgesehen – mit den sperrigen Komödien eines Wes Anderson verwandt ist.

Cinemaxx, Cineplex Neukölln Arcaden, Sputnik Südstern, Zukunft

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