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Kultur: Türkisch mit Untertiteln

Migranten, Metal-Fans und Rollbrettfahrer in der PERSPEKTIVE.

Was machst du mit deinem Leben? Die Nachwuchsfilme in der Reihe Persepektive Deutsches Kino zeigen Auswege in der und in die Emigration. In Joachim Schoenfelds Spielfilm Gegen Morgen muss ein knurriger Polizist einen Mörder beschützen, ist genervt vom Dauergerede seines Kollegen, überfordert von der Frau, in die er sich zu verlieben droht – und haut am Ende lieber nach Kanada ab.

Tamer Yigits und Branka Prlics Regiedebüt Karaman spielt komplett in Anatolien. Türkisch mit Untertiteln: Die Generationen prallen aufeinander, aber die härtesten Konflikte haben die Jungen untereinander. Was machst du mit deinem Leben? Eine muslimische Studentin streitet sich mit ihrem Bruder, einem Metal-Fan. Er schwingt frustrierte Volksreden, sie will ganz neu anfangen: in Berlin.

292 Erst- und Zweitfilme standen für den elften Jahrgang der Perspektive zur Auswahl – 60 mehr als im Vorjahr, sagt Sektionsleiterin Linda Söffker. „Was nicht zwangsläufig heißen muss, dass ich viel mehr gute Filme gesehen habe.“ Mit den ausgewählten acht Spielfilmen und fünf Dokus – vom Kleingangsterfamiliendrama (Soleen Yusefs Trattoria) bis zum Innenblick in die Poetry-Slam-Szene (Dichter und Kämpfer von Marion Hütter) – ist sie aber sehr glücklich.

Einfach nur weg: Julian Pörksen lässt in seinem 32-Minüter Sometimes we sit and think ... einen 50-Jährigen ins Altenheim ziehen – seine Umwelt hat größte Schwierigkeiten, damit umzugehen. In Engin Kundags Kurzspielfilm Ararat kehrt ein Deutschtürke an den Fuß des Bergs zurück, um seinen Vater zu begraben – und richtet im Haus seines Bruders größtes Unheil an. Jan Speckenbach erzählt in Die Vermissten parabelhaft von einem Exodus der Kinder. Lothars Tochter verschwindet, dann bemerkt er: Auch andere fehlen. Das Logo der neuen Jugendbewegung ist eine Ratte mit Flügeln. Da lockt kein Fänger, es sind die Erwachsenen, die das Bleiben unmöglich machen. Generationen: nicht nur im Forum (siehe S. 25), auch in der Perspektive ein sehr präsentes Thema.

Alice Gruias charmante Doku Rodicas erzählt von ihrer Großmutter und deren bester Freundin, zwei Rumäninnen mit gleichen Vornamen, die nach Lebensstationen auf mehreren Kontinenten in Australien gelandet sind, zwei so wehmütige wie humorvolle Damen in einem Film über Rückblicke und Neuanfänge. Darum geht es auch in Marten Persiels rasanter Dokumentation This ain’t California über die Skateboardszene in der DDR. Der „unorganisierte Rollsport“ als Mittel zur jugendlichen Selbstbefreiung – mit seinen tollen Protagonisten und spektakulären Archivaufnahmen ist der Beitrag ein Highlight der Sektion. Ein weiteres: Matthias Stolls Sterben nicht vorgesehen, ein liebevoller dokumentarischer Essay über den Tod des Vaters.

Janis Mazuchs Kurzfilm Tage in der Stadt erzählt ruhig und eindringlich davon, wie eine Haftentlassene in der Freiheit ins Taumeln gerät. Ein Aus- und Aufbruch steht auch am Ende von Tim Staffels Westerland, einem stillen Drama um zwei Jungs auf Sylt, die mit ihrem Leben wenig anzufangen wissen. Gut zu wissen: Da ist immer noch die Festlandbrücke. Oder man denkt radikal um: Katharina Peters hat für ihre Doku Man for a Day einen Workshop der Gender-Aktivistin Diane Torr begleitet. Wie spielt man Mann? Wie spielt frau Frau? Immer gut, sein Rollenrepertoire zu erweitern. Jan Oberländer

Wo bitte geht’s zur Zukunft? Soll ich ganz neu anfangen

oder einfach nur abhauen?

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