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Der Rapper Trettmann, hier anlässlich des 30-jährigen Jubiläums am Brandenburger-Tor in Berlin.

© imago images/snapshot

Trettmann live in Berlin: Vom Standard zu den Stolpersteinen

Der Elder Statesman des deutschen Rap, KitschKrieger, Schwarzweiß-Liebhaber: Trettmann brachte das ausverkaufte Velodrom schön zum Schwingen.

Es ist ziemlich dunkel an diesem Mittwochabend im Velodrom; das Publikum wartet auf den Auftritt des Deutschrappers Trettmann, nur das „KitschKrieg“-Logo leuchtet dezent im Bühnenhintergrund. Viel heller wird es im Verlauf des Konzerts auch nicht werden.

Trettmann liebt es schwarz und dunkel, hin und wieder kontrastiert mit einem mal matten, mal glitzernden Weiß. So läuft er selbst meist rum, so sind seine Plattencover gestaltet, so sehen die T-Shirts am Merchandising-Stand aus, und das passt letztendlich gut zu der melancholischen Stimmung, die der 1973 im mittelsächsischen Obergräfenhein geborene und in Chemnitz aufgewachsene Rapper mit seinen Stücken verbreitet.

Ja, Trettmann ist mit seinen gepresst-rauen Autotune-Raps der große Melancholiker unter den Deutschrappern, die auch in diesem Jahr wieder die Popmusik zur Zeit gemacht haben und regelmäßig die obersten Plätze der Charts bevölkern.

Aber nicht nur das: Trettmann ist eine Art Elder Statesman des Genres mit seinen 46 Jahren, nicht zuletzt weil sich in seinen Lyrics keine verbalen Boxereien, keine sexistischen oder homophoben Spuren finden, sie primär autobiografischer Natur sind, inklusive der Geschichte seines Aufwachsens in einem DDR-Plattenbauviertel oder der Nachricht von der Geburt seiner Tochter.

Alle rufen "Standard"

Worin sich zwei, drei jüngere Generationen anscheinend wunderbar wiederfinden. Der Mann hat in seinem Musikerleben schon einiges erlebt, sich als Breakdancer, Spaßmacher und nach Aufenthalten auf Jamaika mit diversen Reggae-Soundsystemen versucht, auch persiflierend.

Erst nach drei EPs und dem 2017er Album „DIY“ mit den Berliner Produzententrio KitschKrieg wurde er zu dem Pop- und Rapstar, der eine Zehntausender-Halle wie das Velodrom auszuverkaufen und zu unterhalten vermag.

Vielleicht macht er das mit ein bisschen arg vielen Berlin-Appellen, mit den obligaten Mitmach-Animationen. Zum Beispiel als er erst die linke Seite des Publikums laut „Standard“ rufen lässt, das Refrain-Wort aus einem der großen Kitsch-Krieg-Hits, dann den Innenraum, dann das rechte Hallendrittel.

Oder er zur Abwechslung halber doch einmal Licht ins Schwarzdunkel bringen will und seine Fans auffordert, ihre Feuerzeuge und Smartphone-Lampen anzumachen: Helle, tatsächlich, und weil ordentlich gekifft wird, sind es viel mehr Feuerzeuge als Smartphones, die in die Höhe gehalten werden.

Trettmann bespielt die Bühne ganz allein

Aber was soll Trettmann machen so ganz allein auf der Bühne? Nicht einmal einen DJ hat er dabei, zumindest nicht auf der Bühne. Aber es funktioniert: Die mal gebrochenen, mal strammeren, ravigeren, mal Dancehall-lastigen Beats bringen die Halle schön zum Schwingen, die Bässe sind schwer und das Publikum textsicher.

Es geht los mit „Intro“, dem Eröffnungsstück des jüngsten, im Herbst erschienenen Trettmann-Albums, das nur „Trettmann“ heißt, soviel Selbstbewusstsein muss inzwischen sein. Es folgen weitere Tracks davon, bevor einer der beiden Gäste des Abends auf die Bühne kommt, die Jazzsängerin KeKe, die zusammen mit Trettmann „Wenn du mich brauchst“ singst.

Dann kommt das Stück, das KitschKrieg mit Cro, Henning May und eben Trettmann produziert haben, „Fünf Minuten“ und anschließend mehrere Stücke vom „DIY“-Album, unter anderem „Grauer Beton“ und „New York“. Überraschend ist, wie Trettmann die Spannung zu halten vermag zwischen den, wenn man so will: Dance-Knallern wie eben „Standard“, und den ruhigeren Stücken, wenn man hier so will: Balladen.

Nach „Standard“ wird es sehr ruhig. In diesen Set-Teil hat Trettmann auch „Stolpersteine“ untergebracht, seinen politischsten Song, den er aber ohne großes Aufhebens ankündigt. Er sagt bloß kurz „für die Rechten und die AfD“. „Stolpersteine“ handelt von den Messingplatten des Künstlers Gunter Demnig, eben jenen Stolpersteinen, auf denen in Form von Namen, Geburts- und Todesdaten an die von den Nazis ermordeten Juden erinnert wird.

"Stolpersteine" ist Trettmanns Anti-AfD-Song

Trettmann verknüpft in diesem Stück das Heute, da er mit einer Freundin auf einem Rave war, mit dem Gestern: „Was ist wohl passiert, sie war Mitte zwanzig/Selbes Alter, ging sie gern tanzen/Königin vom Ballsaal genau wie du/Ja, genau wie du, Queen im Club/Setz' mich hin vor ihrer Haustür/Sie ging ein und aus hier/Saß sie auch hier, hier im Viertel, wo jeder jeden kennt.“

Der Song spricht für sich, der Auftritt von Trettmann ebenfalls. Obwohl das viele Berlin–Umarme nicht gerade originell ist, hat es etwas Wohltuendes, dass der Rapper sich mit weiteren Botschaften zurückhält, er nicht den Grönemeyer oder den Lindenberg macht und auf jede scheinheilige Polit-, Protest und Friedensgeste verzichtet.

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