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Der 1,10 Meter große Bushwill Bill gehörte zu den meistgeschätzten Hip-Hop-Künstlern.

© Rene Ralph Min/Wikipedia

Tod eines Geto Boys: Hip-Hop-Ikone Bushwick Bill im Alter von 52 Jahren an Krebs gestorben

Der kleinwüchsige Rapper gehörte mit seiner Band Geto Boys zu den ganz Großen im Hip-Hop.

Von Andreas Busche

Schlaflose Nächte, schemenhafte Gestalten im Fenster und durch die Träume spuken die Toten, die der Gewalt im „Viertel“ zum Opfer gefallen sind. Ein Gangsterleben ohne Straßenromantik: Der tägliche Stress, die an jeder Straßenecke drohende Lebensgefahr machen paranoid. „Mind Playing Tricks on Me“ vom Hip-Hop-Trio Geto Boys gehört zu den besten Songs, die das Genre hervorgebracht hat: ein ungeschönter Einblick in die „Ghetto-Realität“, die im Gangsta-Hip-Hop der frühen Neunziger meist verherrlicht wurde.

Richard “Bushwick Bill” Shaw war neben Brad Jordan alias Scarface das Gesicht dieser Geto Boys, die Ende der Achtziger Jahren zunächst mit extremen, gewalttätigen Texten (Vergewaltigung, Nekrophilie, Misogynie) auf sich aufmerksam gemacht hatten. Ihr von Rick Rubin produziertes (offizielles) Debüt erlangte zweifelhaften Kultstatus, „Horrorcore“ nannten sie selbst ihre Musik. Erst mit dem Nachfolger „We Can't Be Stopped“, der Platin einspielte, positionierten sie sich auch kommerziell als ernstzunehmende Gruppe im US-Hip-Hop. Das Cover war legendär: Es zeigt den 1,10 Meter großen Bushwick Bill neben seinen Bandkollegen bei der Entlassung aus dem Krankenhaus. Er hatte sich betrunken im Streit mit seiner damaligen Freundin ein Auge ausgeschossen.   

Die Geto Boys setzten den Süden auf die Hip-Hop-Landkarte

Trotz seiner Größe war Bushwick Bill eine der herausragenden Figuren im amerikanischen Hip-Hop. Wer dachte, dass sich die Geto Boys den Kleinwüchsigen nur als Zirkusattraktion hielten, sah sich getäuscht. Sein körperliches Handicap kompensierte er mit einigen der drastischsten Zeilen des Trios. „Size ain’t Shit“ hieß die Hymne des am 8. Dezember 1966 in Kingston, Jamaika geborenen Shaw, der in den Achtzigern über den Umweg New York nach Houston gekommen war – zunächst als Tänzer unter dem Namen Little Bill. Dort entdeckte ihn Scarface für seine neue Rapgruppe. Damals befanden sich die Epizentren des US-Hip-Hop noch um die Metropolen New York, Los Angeles und Miami, die Geto Boys setzten Houston auf die Landkarte und legten damit den Grundstein für den „Südstaaten-Rap“, der in den neunziger Jahren mit Master P, OutKast und „Crunk“-Star Lil Jon auch die Pop-Charts eroberte.   

Von ihrer Pionierarbeit konnten die Geto Boys allerdings nicht profitieren. Während Scarface als respektierter Solokünstler und Produzent später noch Erfolge feierte, verlief die Karriere von Bushwick Bill im Sand. Er hatte einen Gastbeitrag auf Dr. Dres Klassiker „The Chronic“, 1992 veröffentlichte er sein erstes von sechs Soloalben „Little Big Man“. Aber sein Ruhm beschränkte sich auf seine Zeit mit den Geto Boys. Dafür geriet er wegen Drogendelikten wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt, ihm drohte sogar die Abschiebung. Schon in den 2000er-Jahren hatte er sich zu den „Born Again Christians“ bekannt.

Über die Jahre behandelte Scarface die Geto Boys immer mehr wie sein persönliches Nebenprojekt. Nachdem bei Shaw erst kürzlich Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert wurde, beschloss die Band noch einmal in Originalbesetzung aufzutreten. Der Erlös der Reunion hätte der Krebsforschung zugute kommen sollen. Zur „The Beginning of a Long Goodbye“-Tour wird es nun nicht mehr kommen. Am Samstag starb der große kleine Bushwick Bill nach kurzer Krankheit im Alter von 52 Jahren in Houston. Mit ihm hat der Hip-Hop eine seiner schillerndsten Persönlichkeiten verloren.

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